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Medien: Süße Lüge

VORSICHT! WERBUNG Was macht die kluge Hausfrau, wenn sie Rotwein auf der hellen Couch verschüttet hat und den Fleck nicht mehr rauskriegt?

VORSICHT! WERBUNG

Was macht die kluge Hausfrau, wenn sie Rotwein auf der hellen Couch verschüttet hat und den Fleck nicht mehr rauskriegt? Sie kauft eine hübsche Kuscheldecke, deckt die Couch damit ab und verkauft ihrem Gatten das Ganze als neues Wohndesign. Nach diesem Kuscheldeckenprinzip funktionieren neunzig Prozent aller Werbekampagnen: Das Wasser für’s Bier kommt aus urgesunden Bergseen, Gummibären sind gut für die Psyche, Waschpulver schont die Umwelt, Leberwurst mit mehr Eiweiß und weniger Fett macht schlank.

Grundsätzlich ist nichts dagegen zu sagen. Fast alle Menschen handeln nach diesem Prinzip: Weite Jacken verdecken den kleinen Bierbauch und Make-Up die Krähenfüße. Manchmal aber wird die Kuschel- zur Rosstäuscherdecke. Jüngstes Beispiel: Ferrero versucht, die Nougat-Schmiere Nutella zum sportlichsten aller Brotaufstriche zu machen. Dazu verpflichtete die Berliner Werbeagentur Aimaq, Rapp, Stolle die Jungnationalspieler Kevin Kuranyi, Benjamin Lauth, Andreas Hinkel und Arne Friedrich. In einer TV-Spotserie treiben sie allerlei Schabernack mit der glänzenden Masse. André Aimaq sagt dazu: „Das Produkt wird nicht platt angepriesen, sondern ist wie selbstverständlich rund ums Frühstück eingebettet.“ Klingt lieb, ist aber nur die halbe Wahrheit.

Die ganze Wahrheit oder, sagen wir mal, achtzig Prozent davon, verrät Felix Theato, Marketing Director bei Ferrero: „Die Spots aktualisieren Werte, die der Verbraucher seit langem mit Nutella verbindet, indem sie sportliche Aktivität und Genuss auf sympathisch-lockere Art miteinander kombinieren.“ Der braune Brei ist demnach kein morgendlicher Dickmacher (514 Kilokalorien je 100 Gramm), der an den Zähnen nagt und nach kurzer Euphorie träge macht. Sondern Energiespender, der den kleinen Andy zu Sport und Spiel animiert.

Irgendwie erinnert das an die Ministerin Ulla Schmidt, die mit ihrem Kölschen Singsang die Gesundheitsreform als patientenfreundliche Innovation verkaufen wollte. Vielleicht ist das der Grund, warum in einer Umfrage nach der Wertschätzung von Berufen die Werber gleich hinter den Politikern rangieren. Aber noch vor den Immobilienmaklern.

Reinhard Siemes

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