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TV-Dokus über „Art Crimes“: Mit dem Vorschlaghammer
Eine TV-Dokumentationsreihe auf Arte stellt berühmte Kunstverbrechen der jüngeren Vergangenheit vor.
Stand:
Kunstdiebe zählen sei je her zu den beliebtesten Kinohelden. Ohne Gewalt aber mit Köpfchen dringen sie in hermetisch abgeriegelte Gebäude vor und stibitzen Werke von unschätzbarem Wert. In der Realität sind solche Beutezüge meist noch abenteuerlicher als im Spielfilm. Eine sechsteilige True-Crime-Reihe porträtiert geniale – aber auch dümmliche – Meisterdiebe, die sich mit der Erbeutung erlesener Gemälde einen Namen machten.
Den Auftakt bildet eine skurrile Geschichte, die 2002 in Amsterdam beginnt. An einem Dezembermorgen schrillen im Van-Gogh-Museum die Alarmglocken. Auf einem Vordach des berühmten Gebäudes, das jährlich zwei Millionen Besucher zählt, befinden sich zwei maskierte Einbrecher. Durch ein Seitenfenster dringen sie in den Ausstellungsraum ein und entwenden zwei Bilder im Wert von 100 Millionen Euro. Nur wenige Minuten dauert die Aktion.
Vor der Kamera berichten Octave ‚Okkie‘ Durham und Henk Bieslijn, zwei Amsterdamer Gewohnheitsverbrecher, wie sie diesen Coup planten. Kein Drehbuchautor hätte sich diese ebenso abenteuerliche wie verdrehte Geschichte ausdenken können. Sie verknüpft das Schicksal zweier Ganoven mit Migrationshintergrund mit den Köpfen der Neapolitanischen Camorra sowie deren Verbindungen in die Vereinigten Arabischen Emirate. Doch der Reihe nach.
Mit dem geübten Blick eines berufsmäßigen Einbrechers fällt Okkie eines Tages auf, dass es im Van-Gogh-Museum ein von außen leicht zugängliches Fenster gab. Daraufhin klopfte er von innen mit einer Ein-Gulden-Münze gegen die Scheibe und stellte fest: Es ist nur Glas! Also besorgten sich die Diebe zwei Vorschlaghämmer, zertrümmerten damit das Fenster und schnappten sich zwei Gemälde.
Provenienzforschung der anderen Art: Der Salz-Test
Gewiss, ihr Plan war nicht so elegant wie in einschlägigen Kinofilmen. Aber er war erfolgreich. Aufschlussreich ist der Blick auf die Herkunft der Kunstdiebe aus einem sozialen Brennpunkt in Haarlem, wo beide eng vernetzt waren mit der kriminellen Szene. So standen sie in engem Kontakt zu Cor van Hout, der es durch die Entführung des Biermagnaten Alfred Heineken zu trauriger Berühmtheit gebracht hatte. Dummerweise wurde der potenzielle Abnehmer der Hehlerware kurz vor der Übergabe erschossen: Was tun mit zwei geklauten Van Goghs?
Okkie begann sich für Kunst zu interessieren. Eines der erbeuteten Bilder, „Blick auf das Meer bei Scheveningen“, hat Van Gogh direkt vor Ort gemalt. Dabei soll salziger Sand auf die trocknende Leinwand geweht worden sein. Schmeckt das Gemälde etwa heute noch nach Salz? Um dies festzustellen, leckte der Bilderdieb das Gemälde ab: Durch diese skurrile Geschichte erscheint Kunst plötzlich in einer etwas anderen Perspektive.
Mit dem baldigen Verkauf der beiden Meisterwerke an einen italienischen Geschäftsmann verlor sich deren Spur für lange Zeit. Und so staunte die Neapolitanische Staatsanwältin Vincenza Marra nicht schlecht, als ihr 2016 bei einem gelungnen Zugriff in der Villa des berüchtigten Mafiabosses Raffaele Imperiale auch zwei Gemälde von Van Gogh in die Hände fielen: Der Pate, offenbar ein Kunstfreund, war zwischenzeitlich in Dubai untergetaucht.
Neben den beiden schlitzohrigen Einbrechern schildern Ermittler die Aufklärung des spektakulären Falles aus polizeitaktischer Sicht. In den Fokus gerät dabei auch das Problem der politischen Korrektheit. Einer der beiden Kunstdiebe konnte sich seiner Verhaftung zwischenzeitlich durch eine artistische Klettertour entziehen.
Der Kommissar bezeichnete ihn vor laufenden Kameras als „Kletteraffen“. Da der Begriff in den Medien trendete, entschuldigte er sich später bei dem dunkelhäutigen Octave Durham für seine mutmaßliche Diskriminierung. „Art Crimes. Van Gogh: Amsterdam, 2002“, Arte, Donnerstag, 20 Uhr 15
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