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Medien: Unser feines Schaf

VORSICHT! WERBUNG Versuchen Sie mal, Ihre Bank anzurufen und Ihren Kundenbetreuer zu sprechen.

VORSICHT! WERBUNG

Versuchen Sie mal, Ihre Bank anzurufen und Ihren Kundenbetreuer zu sprechen. Sie landen in irgendeinem Service-Center in Oberursel oder Luckenwalde. Die Frau oder der Mann am Telefon fragen zwar freundlich: „Was können wir für Sie tun?“ Doch brauchen Sie Rat, wie Sie für Ihr Erspartes 2,4% statt 1,8% Zinsen bekommen, gibt es erst warme Worte und anschließend einen Papierstapel mit allerlei Anleihen und Fonds, die Ihre Bank selbst ausgegeben hat. Es sei denn, Sie wollen 100 000 Euro und mehr in den Wind jagen. Dann werden Sie sofort von einem Anlage-Spezialisten zurückgerufen, der Ihnen zu einem neuen Hedge-Fonds oder zu Papieren rät, die auch der schwammige Fußballer empfiehlt. Derweil sitzen in der Chefetage der Deutschen Bank geistig betagte Männer, die in der Werbung behaupten: „Leistung ist unsere Leidenschaft.“ Dazu zeigt die Berliner Werbeagentur „start“ eine kreative Sensation – nämlich ein Schachbrett, zu welchem ein Mensch im TV-Spot mit sonorer Stimme erzählt, dass sich die Deutsche Bank wie ein Schachweltmeister über jeden Zug den Kopf zerbricht. Erst wenn sie zehn Züge im Voraus gedacht hat, gibt sie eine Empfehlung ab. Die ist dann strategisch perfekt, jedenfalls für die Deutsche Bank.

Als Kunde müssen Sie grundsätzlich zahlen für Ihren Gewinn. Und für die Verluste sowieso. Die Geldhäuser brauchen Ihre Euros. Die Deutsche Bank hat gerade mal wieder rund 400 Millionen Euro beim italienischen Milchproduzenten Parmalat zu Quark gemacht. Der Commerzbank ist aufgefallen, dass sie ihre gesammelten Fehlleistungen durch das Streichen der Betriebsrente abmildern kann. Über die Bankgesellschaft Berlin mag ich gar nicht erst reden. Wie wäre es, wenn alle Banken in diesem Land den gleichen Werbespot senden? Der Vorstand besoffen beim Premier Grand Cru Latour. Und alle grölen: „Lange Leitung ist unser feines Schaf!“

Reinhard Siemes

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