Medien: Unser Mann in Prag
Hans-Dietrich Genscher zum 80. – ein Porträt des „Mister Bundesrepublik“
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Wenn einer wie Hans-Dietrich Genscher 80 wird, dann ist es ein Leichtes, einen historischen Film über die Entwicklung der Bundesrepublik zu machen – sollte man meinen. Schließlich hat er die Nachkriegsgeschichte dieses Landes entscheidend mit gestaltet. Oder einen ganz persönlichen Rückblick, Erinnerungen von München bis Prag? Auch das findet seine Anhänger sicher im Abendprogramm.
TV-Produzentin Regina Ziegler und die Autoren Ulrike Brincker und Gunter Hofmann haben es sich allerdings nicht so leicht gemacht. Historisches Filmmaterial, Selbstreflektion des Jubilars und eine ganze Reihe namhafter Zeitzeugen: Den Filmemachern ist mit „Mister Bundesrepublik“ ein Dokument gelungen, das nicht nur einem alten Mann zum Geburtstagsgeschenk gut ansteht, sondern das ebenso zum spannungsreichen Lehrfilm über die letzten Jahre des Zweiten Weltkrieges, die frühen Jahre der Bundesrepublik und die Zeitenwende 1990 gereicht. 75 Minuten Hans-Dietrich Genscher sind so inhaltsdicht und dennoch klar, so faktenreich und gleichzeitig emotional erzählt, dass man den Film gut und gern den Geschichtslehrern des ganzen Landes empfehlen möchte. Ein ehrliches Bravo den Machern.
Darf man einem berühmten Mann wie Genscher nachsagen, dass er eher ein weichlich-kränkliches Jüngelchen war, ein Muttersöhnchen ohne Anlage zum rebellischen Helden? Ja, man darf und man muss wohl, um verstehen zu können, warum dieser „Mister Bundesrepublik“ so gut an die Spitze dieses Landes passte. Die Autoren zeigen einen jungen Mann aus Halle, geprägt von Verantwortung für seine Mutter nach dem Tod des Vaters, gezeichnet von einer Tuberkulose, die ihn fast vier Jahre seiner Jugend durch Krankenhäuser trieb. Ein Junge – wissbegierig und doch in seinen Grenzen festgehalten. Normalo seiner Zeit als Hitlerjunge, Flakhelfer, 17-jähriger Wehrmachtsangehöriger. Aha, Politiker sind also auch nur Menschen, hineingespült in ein Stückchen Zeitgeschichte, die sie an dieser oder jener Stelle mit geprägt haben. Lobenswert nah führen uns die Filmemacher an diesen Genscher und sein Stück Zeitgeschichte heran. Am 21. März begeht in erster Linie der Mensch Genscher seinen 80. Geburtstag, nicht der Politiker, das spürt man in diesem Film.
Selbstverständlich kann man über diesen Mann, der die FDP als langjähriger Vorsitzender geprägt hat, der Innen- und Außenminister war und zu den „Architekten der deutschen Einheit“ zählte, nicht berichten, ohne auf die Stationen seines politischen Schaffens einzugehen. Zieglers Film streift sie ordentlich, zeigt die Bilder, die um die Welt gingen, lässt Michael Gorbatschow, Henry Kissinger und Helmut Schmidt zu Wort kommen. Wer Geschichte will, der bekommt sie hier.
Aber das macht nicht den Reiz dieser Dokumentation aus. Vielmehr wird man angezogen von den Abschnitten in Genschers Leben, die nah herangezoomt sind, die den Menschen zeigen, der – so klein – in die Wirrungen der Weltpolitik hineingezogen wird. Als 1972 in München etwa palästinensische Terroristen während der Olympischen Spiele ein Blutbad anrichteten. Oder der Außenminister, der 1989 in die deutsche Botschaft nach Prag kam, um den DDR-Flüchtlingen die Botschaft von ihrer Freiheit zu überbringen. Ein gelungenes Geburtstagsgeschenk. Herzlichen Glückwunsch nach Halle.
„Mister Bundesrepublik“, ARD,
23 Uhr 30
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