True-Crime-Serie "Landscapers" bei Sky Atlantic: Wenn Liebe stärker ist als jeder Mord
Das muss der Streaming-Zuschauer gesehen haben: "Landscapers" mit Olivia Colman und David Thewlis
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True Crime ist aktuell das heißeste Format im Streaming- und Fernsehsektor. Kriminalfälle, die unglaublich scheinen, aber von der Wirklichkeit testiert sind. Geht es besser, wenn die Phantasie des Publikums angeregt und alle Sinne angespannt werden sollen? Und ist das geschilderte Leben bizarrer als bizarr, kann daraus eine schwarze Komödie werden. So geschehen bei der britischen Mini-Serie „Landscapers“, die am Donnerstag bei Sky Atlantic startet. Sie greift einen wahren Kriminalfall auf: den Doppelmord an einem Rentner-Ehepaar in einer Kleinstadt nördlich von London im Jahr 1998. Die Nachbarn dachten, die verschwundenen alten Leute seien umgezogen. Rund 15 Jahre lang blieb das Verbrechen unentdeckt, bis die Rentenbehörde einem der Opfer zum 100. Geburtstag gratulieren wollte. Zugleich trug jemand aus der Familie Details aus einem Telefonat an die Polizei. Schwiegersohn Christopher und seine Frau Susan stellten sich und wurden 2014 als Mörder zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. Beide beteuern bis heute ihre Unschuld.
["Landscapers", Sky Atlantic, Donnerstag, 22 Uhr 20. Alle vier Episoden sind auf Abruf verfügbar.]
Die Medien sprachen von einem der ungewöhnlichsten Kriminalfälle der britischen Geschichte und veröffentlichten immer neue Details über dieses illustre Paar: Zwei fanatische Film-Fans, immer knapp bei Kasse, die dennoch fleißig Geld ausgeben für Autogramme und andere Andenken an ihre Idole Frank Sinatra und Gary Cooper. Die Bibliothekarin Susan soll ihrem geliebten Christopher regelmäßig gefälschte Briefe im Namen von Gérard Depardieu geschickt haben. Es ist eine Paraderolle für Olivia Colman ("Frau im Dunkeln"), die jede schräge Frauenfigur genial verkörpern kann. Als Susan verstrickt sie sich immer mehr in ihre cineastische Traumwelt.
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Während sie bei der Polizei ein Geständnis ablegt, weiß der Zuschauer schon bald nicht mehr: Spricht sie über das echte Verbrechen oder erzählt sie nur eine Geschichte aus einem ihrer Lieblingsfilme? Die Kameraführung löst die Grenze zwischen Realität und Illusion auf. Kulissen verschwimmen, Einbildung und Erinnerung verschmelzen.
Auch David Thewlis, der in mehreren „Harry Potter“-Filmen den Werwolf Remus Lupin spielte, bleibt zunächst famos undurchsichtig. Ist der Buchhalter wirklich der stille, sanfte Ehemann in mittleren Jahren, den er gibt? Hat er nur aus Liebe zu Susan die Leichen im Garten vergraben oder hat er gar selbst den Revolver auf die Senioren abgedrückt? Was ist dran an der Darstellung Susans, ihre Mutter habe den Vater getötet?
Zuschauer muss auf vieles gefasst sein
Der Zuschauer muss bei dieser tiefschwarzhumorigen Serie von Drehbuchautor Ed Sinclair auf vieles gefasst sein. Denn die ruhige Erzählweise und der klassische Bildaufbau, die beide eher an einen 60er-Jahre-Film als eine Streamingserie erinnern, wiegen ihn zu Beginn in Sicherheit, täuschen aber fatal. Szenen wechseln in die und aus der Realität, wobei Sets manchmal dekonstruiert und neue Kulissen um sie herum gebaut werden oder die Farbe verblasst, auf dass das Publikum in eine Romanze der 1940er Jahre gerät.
Tragische Liebesgeschichte
„Landscapers“, also "Landschaftsgestalter", diese HBO/Sky-Produktion mit diesem harmlosen Titel, wird immer doppelbödiger. Zugleich verwandelt sich der Krimi immer mehr in eine tragische Liebesgeschichte mit einem dunklen Geheimniskern. Vor allem ist es eine Liebesgeschichte: Die Version, zugleich die Vision, die Colman und Thewlis bieten, ist die eines hingebungsvollen Paares, dessen Bedürfnisse und Fähigkeiten nahtlos ineinander übergehen, um ein unteilbares Ganzes zu werden. Wie sie sich aneinander klammern, das ist zärtlich bis herzzerreißend und wird absolut überzeugend gespielt wie inszeniert. Will Sharpes Regie ist nie hinterlistig oder aufdringlich, sondern vermittelt lebhaft die Kraft des Innenlebens des Paares und seinen partiellen wie ideellen Verzicht auf die Wahrheit.
Colman ist absolut begeistert
Die britische Filmkritik überschlug sich bereits vor Lobpreisungen für Buch, Inszenierung und insbesondere die schauspielerischen Leistungen, schreibt dpa-Autor Christoph Bock. Olivia Colman selbst sagt über die Serie: „Da steckt so viel drin. Da ist so viel Fantasie im Spiel. Das ist kein durchschnittliches True-Crime-Drama. Ich habe so etwas in der Art noch nie gesehen.“ (mit dpa)
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