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Job als Pflegerin in Deutschland: die Ukrainerin Marija (Emilia Schüle).

© SWR/Zieglerfilm/Ivan Maly

Arte-Film mit Emilia Schüle: Wie vergesslich sind Eichhörnchen?

In einer märchenhaften Tragikomödie brilliert Günther Maria Halmer neben Emilia Schüle als Pflegepatient, der im Labyrinth seiner Erinnerungen wieder aufblüht.

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Wenn das Eichhörnchen seine vergrabenen Nüsse nicht wieder findet – muss es dann nicht verhungern? Diese besorgte Frage stellt sich Curt Wieland (Günther Maria Halmer), ein pensionierter Verleger, der aufgrund seiner Altersdemenz zum Pflegefall wurde. „Aber nein“, beruhigt ihn die junge Marija (Emilia Schüle), die als Vollzeitpflegerin in seine muffige aber geräumige Villa eingezogen ist. „Aus dem, was sie nicht finden, wächst ein neuer Baum“.

Doch bis dieses Gewächs Wurzeln schlagen kann, müssen mannigfaltige Hindernisse aus dem Weg geräumt werden. Davon handelt dieser zauberhafte Film, der einige Umweg geht und dabei das Thema des Pflegenotstands auf eine unerwartete Weise anspricht.

Zunächst geht es um das Schicksal der 27-jährigen Ukrainerin Marija. Eigentlich hat sie ja Germanistik studiert. Doch nun musste sie nach Deutschland kommen, um als Pflegerin Geld für ihren fünfjährigen Sohn zu verdienen.

Ein schlecht bezahlter ein Knochenjob. Denn Almut (Anna Stieblich), die verbiesterte Tochter des pflegedürftigen Curt, hat eigenwillige Vorstellungen von der Pflege ihrer Vaters. Wie ein Roboter soll Marija den auf die Minute genau durchgetakteten Pflegeplan ausführen. Dem alten Herrn, so glaubt sie, würde es dabei gut gehen. Tatsächlich leidet er wie ein Stück Vieh.

Das ändert sich, als Marija dank ihrer pragmatisch-zupackenden Art einen Zugang zur chaotischen Welt des demenzkranken alten Mannes findet. Bei der eifersüchtigen Tochter schrillen prompt die Alarmglocken. Die hübsche Ukrainerin ist zur Konkurrentin geworden und soll zurück nach Hause geschickt werden. („Die Vergesslichkeit der Eichhörnchen“, Arte, Freitag, 20 Uhr 15).

Wie Richard Gere, der die Liebe des Callgirls Julia Roberts mit Geld erkauft

Glücklicherweise setzt ein Autounfall die biestige Tochter außer Gefecht. Zeit zum Durchatmen hat Marija aber leider nicht. Denn nun tritt Curts Sohn Philipp (Fabian Hinrichs) auf den Plan, ein Porsche fahrender Möchtegern-Playboy, der zu oft den Film „Pretty Woman“ gesehen hat.

Wie Richard Gere, der die Liebe des Callgirls Julia Roberts mit Geld erkauft, so überhäuft auch Philipp die attraktive Ukrainerin mit teuren Geschenken. Marija muss etwas rabiater werden...

Nadine Heinze und Marc Dietschreit haben mit „Das fehlende Grau“ bereits einen Film über eine Borderline-Erkrankung realisiert. In „Die Vergesslichkeit der Eichhörnchen“ rückt das Regie- und Drehbuch-Duo nun die Problematik der Demenz in den Fokus. Doch dieses ernste Thema wird in eine leichtfüßige Verwechslungskomödie verpackt.

So ist Curt überzeugt, die ukrainische Pflegerin wäre seine verstorbene Frau. Trotz seiner Umnachtung wird ihm schmerzlich bewusst, wie schlecht er seine depressive Gattin zeitlebens behandelt hat. Lässt sich so etwas wieder gut machen? – Im schönsten Moment brausen Curt und Marija im Mercedes Cabrio los in ein Ausflugslokal, wo er ihr zum Hochzeitstag gratuliert: „Du glaubst wohl, das hätte ich auch vergessen.“

In diesem magischen Moment, in dem Curt eine flammende Rede auf die Liebe und die Treue hält – und zur Überraschung der Gäste am Nebentisch „das Buffet für eröffnet“ erklärt –, ist der demente alte Herr zu einem Eichhörnchen geworden, das eine Nuss findet, die es gar nicht versteckt hat.

Günther Maria Halmer tritt ja meistens in kitschigen Schmonzetten ohne Tiefgang auf. Doch die Rolle dieses verwirrten alten Mannes, der zeitlebens Landkarten entworfen hat – und dennoch vom Weg abkam –, nimmt man ihm ab. Emilia Schüle überzeugt als herumgeschubste ukrainische Pflegekraft, die sich auf einen prekären Rollentausch einlässt und als fiktive Gattin ein geisterhaftes Luxusleben in den knallbunten 70er Jahren führt.

Ein wenig märchenhaft wirkt das schon. Doch die mit etwas Slapstick und Prise schwarzem Humor ausbalancierte Tragikomödie vergisst nie, dass die junge Ukrainerin trotz allem eine abhängig Beschäftigte ist, die eine Menge Probleme hat. Der Krieg in ihrem Heimatland ist nur eines davon.

Manfred Riepe

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