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Endlich Witwer!, denkt sich Georg Weiser (Joachim Król). Aber schon das Hallenbad ist die Hölle.

© ZDF und Florian Emmerich

ZDF-Film mit Joachim Król: „Endlich Witwer“ - endlich einsam

Joachim Król brilliert in der ZDF-Tragikomödie „Endlich Witwer“ als Misanthrop mit Eigensinn. Der Film geht einen bemerkenswert eigenen Weg.

Moment mal, ist es wirklich das ZDF, dass diesen Film zeigt? Am Montag, wenn das Zweite in seiner Marktführerschaftsucht Mord auf Mord, Krimi auf Krimi türmt. „Endlich Witwer“ tönt ja in diese Richtung, doch diese 90 Minuten suchen ihren Weg zwischen Tragödie und Komödie hin zur Tragikomödie – auf einem sehr bemerkenswert eigenen Weg. Brigitte Weiser will nach über 30 Ehejahren die Scheidung von Georg (Joachim Król). Er hat eingewilligt, doch noch vor dem Vollzug sitzt die Gattin plötzlich tot im Fernsehsessel. Ob sie die Tier-Doku umgebracht hat, spielt keine Rolle, jedenfalls nicht für Georg. Er schreitet zur Tat, der Kunstrasenproduzent schmeißt alles aus dem Haus, was auch nur irgendwie an Brigitte erinnern könnte. Dafür kommt Bier in dutzenden Flaschen in den Kühlschrank, ein Riesenfernseher rückt in den Lebensmittelpunkt.

Georg Weisers tiefes Bedürfnis nach Abgeschiedenheit scheint sich zu erfüllen. Er vergräbt sich tiefer und tiefer in seine Misanthropie. Selbst zu seinen Kindern will er keinen weiteren Kontakt. Sohn Gerd (Tristan Seith), der zeit seines Lebens unter dem Unternehmerrates gelitten hat, will nur noch seinen Pflichtteil aus dem Erbe – und dann weg, weit weg. Tochter Susanne (Friederike Kempter), die den Vater auf seinem Weg in die Verwahrlosung aufhalten will, backt Kuchen auf Kuchen und vermittelt dann die Putzfrau Gisela Rückert (Anneke Kim Sarnau). Auch da wird Weiser – „Ich brauche keine Lebenshilfe!“ – brutal, beschimpft Rückerts Sohn Tom (Moritz Hoyer) wahlweise als „Alien“ oder „Psycho“. Als Tom ihn als teuflisches Ungeheuer an die Wand des Schlafzimmers malt, lässt ihn das Bild nicht mehr los. Und Gisela Rückert demonstriert ihm, dass so ein selbstverordneter Rückzug strikt ins Gefängnis seiner selbst führt. Es gibt ein Leben vor dem Tod.

Es geht nicht Richtung "Herzkino"

„Endlich Witwer“ könnte jetzt ein süßliches „Herzkino“ werden, das zu zeigen das ZDF am Sonntag nicht müde wird. Oder eine tiefgründelnde Menschenschicksalsbeschreibung. „Endlich Witwer“ geht einen anderen, einen dritten Weg, der durchaus Elemente von Süßstoff und Stickstoff aufnimmt und doch von eigenem Sauerstoff belebt wird. Da ist das Drehbuch von Martin Rauhaus („Hotel Heidelberg“). Er illustriert Weisers Freiheit, sein Leben nun selbstbestimmt zu gestalten, als Abnutzung- und Endlosschleife, weil kein größerer Plan dahintersteckt. Äußerer Jubel, innere Tristesse.

Bei seiner einzigen regelmäßigen Aktivität, dem 1000-Meter-Schwimmen, gewinnt er Einblicke in sich und Ausblicke auf welkes Fleisch bei der Wassergymnastik. Rauhaus platziert den Witwer zwischen Ekel Alfred und dem Jack-Nicholson-Film „About Schmidt“. Georg Weiser wird nicht – gottseidank – rundum geläutert, als er sein Leben ändert und sich gegenüber seiner Umwelt öffnet. Er bleibt nicht der Spießer, zieht einen Joint in der Kirche durch, besprüht Wände: „Eure Ordnung kotzt mich an“ – der Mann hatte mal Anarcho-Zeiten, aber er wird nicht zum Freak. Er muss einer Putzfrau dankbar sein, weil sie sich für ihn verbürgt. „Wer einen Beamten Pinkelkopf nennt, der hat sich auf jeden Fall ein falsches Alibi verdient.“

Lust aufs Leben

Weiser bekommt durch die lebenspraktische Gisela Rückert wieder Lust aufs Leben. Leben heißt Kommunikation. In einem der stärksten Filmmomente lädt er sie zu einem Blind-Date-Testlauf in sein Lieblingsrestaurant ein. Das ist grotesk, dann komisch, dann tragisch, aber eben nicht falsch grotesk, falsch komisch, falsch tragisch. Weil die Regie von Pia Strietmann und die Bilder von Florian Emmerich stimmen, stimmig sind: in der Enge der Weiserschen Bademantel-Existenz, in den Konflikten mit den Kindern, am Grab, das mit Kunstrasen zugedeckt wird, schließlich in der Menschwerdung des Misanthropen. Wo der Eigensinn Szene für Szene destruktiv wird, wo der Eigensinn Szene für Szene kreativ wird.

Joachim Król spielt Georg Weiser. Nicht den berstenden Golden Ager, sondern einen schrägen, verkapselten Solisten. Mit eigener Note gibt Król der Figur die Stimmung- und Tonlagen einer Person, die nicht weise sein will und sich von innen her gegen das Leben abdichtet. Wer kann das so eigen überzeugend spielen – wenn nicht dieser Schauspielkünstler? Der starke Mit- und Gegenspieler braucht und findet wie Tristan Seith, Friederike Kempter und Anneke Kim Sarnau. Die haut weit mehr als Polly Patent raus, die formuliert das Skurrile, Überraschende mit, sie findet den Spalt, durch den das Leben wieder zu Georg Weiser dringen kann.

Für alle Männer um die 60, die den Filmtitel „Endlich Witwer“ leise mitrufen, noch dieser Rat: Schaut mal in die Tiefkühltruhen.

„Endlich Witwer“, ZDF, Montag, um 20 Uhr 15

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