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Sorgt sich um die Medienfreiheit in Tschechien: Die EBU-Präsidentin und Chefin von France Télévisions Delphine Ernotte Cunci.

© Bertrand Guay/AFP

Zunehmende politische Einflussnahme: Ceská Televize unter Druck

Tschechiens Politik gefährdet die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Senders Ceská Televize. Ein Warnruf der Europäischen Rundfunkunion.

Die öffentlich-rechtlichen Medienanstalten, die der Europäischen Rundfunkunion (EBU) angehörenden, sind sehr vielfältig und haben sich doch alle auf den gleichen Wertekanon und einen gemeinsamen Auftrag verpflichtet: die vielfältigen Meinungen, Kulturen und Gemeinschaften in ihren jeweiligen Ländern angemessen abzubilden. In einigen Ländern Europas gerät dieser Auftrag zunehmend unter Druck.

Die Verpflichtung, die Interessen des gesamten Publikums wiederzugeben und zu dokumentieren, wird nicht allgemein akzeptiert, vor allem nicht von der Politik. Überall in Europa versuchen immer mehr Regierungen, die Vielfalt der Stimmen einzuschränken und die Institutionen, die uns diese Stimmen nahebringen, zu beschneiden.

[Die Autorin, Delphine Ernotte Cunci, ist Präsidentin der Europäischen Rundfunkunion (EBU) und Geschäftsführerin von France Télévisions]

Jüngstes Beispiel ist die Tschechische Republik, wo der öffentlich-rechtliche Sender Ceská Televize (CT) zunehmend unter politischen Druck gerät. Wie Daten des Reuters Institute for the Study of Journalism in Oxford zeigen, ist CT der meistgenutzte Nachrichtenkanal in der Tschechischen Republik: Mehr als 60 Prozent der Tschechen nutzen den Dienst mindestens einmal pro Woche.

Unter allen Nachrichtenkanälen genießt CT das größte Vertrauen. Dieses Vertrauen ist ein Beleg für die Unabhängigkeit, die Ceská Televize mit Blick auf seine Informationspflicht gezeigt hat. In den letzten Monaten ist allerdings erschreckend deutlich geworden, dass die tschechische Regierung versucht, genau diese Unabhängigkeit direkt und indirekt zu unterdrücken.

Eine Wahl neuer Rundfunkratsmitglieder gab 2020 Anlass zu Diskussionen, da vor allem Kandidaten mit Verbindungen zur Regierungspartei auf der Liste standen. Jetzt scheint die Regierung ihren Einfluss auf den Rat mit einer neuen Liste, auf der nur noch regierungstreue Kandidaten stehen, zementieren zu wollen.

Soll aus dem Amt gedrängt werden: Petr Dvorák

Ihr Ziel scheint zu sein, sich des allseits geschätzten Leiters des Fernsehsenders, Petr Dvorák, zu entledigen. Dvorák ist nicht nur Vizepräsident der EBU, sondern auch der erste Vertreter eines mittel- oder osteuropäischen Landes, der diese Position innehat. Ceská Televize hat sich in der Europäischen Rundfunkunion stets aktiv für deren Kernwerte eingesetzt, unter denen die Unabhängigkeit einen zentralen Stellenwert hat. Sie ist zudem in den Entschließungen des Europarates festgeschrieben. Der Rat empfiehlt dringend, Leitungsgremien zu wählen, die Sendeanstalten gegen politische Einflussnahme schützen.

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Petr Dvorák musste sich dagegen erst kürzlich einem Misstrauensvotum stellen, das nur knapp zu seinen Gunsten ausfiel. Nach Ansicht der EBU ist dieser neuerliche Versuch, die Machtverhältnisse im tschechischen Fernsehrat zugunsten der Regierung zu verschieben, ein weiterer Versuch, Petr Dvorák aus dem Amt zu drängen und CT rechtzeitig vor Beginn der Kampagnen für die im Oktober anstehenden Abgeordnetenhauswahlen gefügig zu machen.

Über Einflussnahme besorgt

Auch das International Press Institute und andere Medienorganisationen haben ihre tiefe Besorgnis über die politische Einflussnahme und den wachsenden Druck auf Ceská Televize geäußert.

Mit den Anzeichen einer zunehmenden Politisierung des Leitungsgremiums von CT wächst jedoch auch der Widerstand des Rates gegen diese Einflussnahme in der Tschechischen Republik. Beim letzten Versuch der Regierung, ihren Willen gegenüber CT durchzusetzen, gingen die Menschen in Tschechien auf die Straßen. Angesichts der aktuell steigenden Covid-Zahlen lassen sich solche Proteste allerdings leicht auflösen.

Für die noch jungen Demokratien in Ländern, die ihrer Bevölkerung unter dem Einfluss der ehemaligen Sowjetunion über viele schwierige Jahre hinweg nicht die Wahrheit sagen durften, ist es überlebenswichtig, dass öffentlich-rechtliche Medienanstalten wie Ceská Televize unabhängig bleiben können. Diese Sender haben die Aufgabe, alle Menschen, die sich auf sie verlassen und ihnen vertrauen, zu informieren, zu bilden und zu unterhalten. Unsere Aufgabe ist es, sie dabei zu unterstützen.
Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, dass Delphine Ernotte Cunci ehemalige Chefin von France Télévisions sei. Tatsächlich ist sie es immer noch. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

Delphine Ernotte Cunci

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