zum Hauptinhalt
Das undatierte Handout-Foto zeigt die „Titan“, das Tauchboot, das auf einer Expedition zum Wrack der „Titanic“ verschwand.

© IMAGO/ZUMA Wire/OceanGate

Update

Alle fünf Insassen des U-Boots gestorben: Kanada leitet Untersuchung der „Titan“-Tragödie ein 

Die US-Navy registrierte die Implosion des „Titan“-Tauchbootes offenbar schon am Sonntag. Experten versuchen nun, das Unglück zu rekonstruieren. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

| Update:

Nach dem bestätigten Tod der fünf Insassen im Tauchboot „Titan“ nahe dem „Titanic“-Wrack hat Kanada eine Untersuchung der Tragödie eingeleitet. Die kanadische Verkehrssicherheitsbehörde (TSB) teilte am Freitag (Ortszeit) mit, man werde „eine Sicherheitsuntersuchung zu den Umständen dieses Einsatzes durchführen“.

Die von dem Privatunternehmen Oceangate betriebene „Titan“ war von einem unter kanadischer Flagge fahrenden Mutterschiff an ihren Einsatzort gebracht worden. Deswegen ist Kanada für die Ermittlungen zuständig.

Die TSB entsandte eigenen Angaben zufolge ein Team von Ermittlern nach St. John’s, Neufundland und Labrador. Sie sollen Informationen sammeln, Interviews führen und den Vorfall bewerten. In den kommenden Tagen sollten Aktivitäten mit anderen beteiligten Stellen koordiniert werden, hieß es weiter.

Implosionsgeräusch wohl schon am Sonntag aufgezeichnet

Die fünf Passagiere des Mini-U-Boots waren bei einer „katastrophalen Implosion“ des Tauchboots gestorben. Das teilten die US-Küstenwache und die Organisatoren der Expedition nach dem Fund von Trümmerteilen am Donnerstag mit. Medienberichten zufolge ereignete sich das Unglück schon am Sonntag.

Die Implosion sei mit Geräten zur Überwachung von Unterwassergeräuschen aufgenommen worden, kurz nachdem am Sonntag der Kontakt zu der „Titan“ abgebrochen sei, berichtete die Zeitung „Wall Street Journal“ am Donnerstag unter Berufung auf einen Vertreter der Marine, der anonym bleiben wollte.

Die Aufzeichnung erfolgte demnach durch ein geheimes akustisches Überwachungssystem, mit dem U-Boote aufgespürt werden sollen. Die US-Marine habe eine Analyse akustischer Daten vorgenommen „und eine Unregelmäßigkeit festgestellt, die zu einer Implosion oder Explosion in der Zone passen könnte, in der das Mini-U-Boot ‚Titan’ sich befand, als die Kommunikation abbrach“, sagte der Navy-Vertreter.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Die Marine habe diese Information umgehend an die Verantwortlichen der Such- und Rettungsaktion weitergeleitet, erfuhr der Sender CNN. Dadurch habe das Suchgebiet eingegrenzt werden können.

Am Donnerstag hatte die US-Küstenwache erklärt, ein ferngesteuertes Unterwasserfahrzeug habe am Donnerstagmorgen auch den Heckkegel des Tauchboots knapp 500 Meter vom Bug der „Titanic“ entfernt auf dem Meeresboden in 3800 Metern Tiefe gefunden.

Die gefundenen Trümmerteile gehörten zur verschollenen „Titan“, teilte der Chef der US-Küstenwache im Nordosten der USA, John Mauger, in Boston mit. Damit gebe es keine Überlebenschance für die Vermissten mehr. Er sprach den Angehörigen sein Beileid aus.

Auf diesem Satellitenbild suchen die Schiffe „Horizon Arctic“, „Deep Energy“ und „Skandi Vinland“ im Atlantischen Ozean nach dem vermissten Tauchboot „Titan“.
Auf diesem Satellitenbild suchen die Schiffe „Horizon Arctic“, „Deep Energy“ und „Skandi Vinland“ im Atlantischen Ozean nach dem vermissten Tauchboot „Titan“.

© dpa/Satellite image ©2023 Maxar Technologies/AP

Wie kam es zu dem „Titan“-Unglück?

Insgesamt seien fünf große Trümmerteile entdeckt worden. Sie deuteten auf einen Kollaps der Druckkammer hin. Zum Zeitpunkt der Implosion könne die Küstenwache noch keine Angaben machen. Sonarbojen hätten in den vergangenen 72 Stunden aber kein „katastrophales Ereignis“ wahrgenommen.

„Ich weiß, dass es eine Menge Fragen dazu gibt – wie, warum und wann genau das passiert ist“, sagte Mauger.

Das ganze Ding ist kollabiert, bevor die Menschen darin überhaupt bemerken konnten, dass es ein Problem gab.

Aileen Marty, Professorin für Katastrophenmedizin

Experten zufolge haben die Insassen des „Titan“-Tauchboots von der Implosion ihres Gefährts nichts mehr mitbekommen. Der Druck auf das Tauchboot sei in so großer Tiefe massiv gewesen – die Implosion sei im Bruchteil einer Millisekunde passiert, zitierte der Sender CNN am Freitag Ex-Marineoffizierin Aileen Marty, eine Professorin für Katastrophenmedizin.

Was passierte mit den „Titan“-Insassen?

Das menschliche Gehirn könne die Lage so schnell gar nicht erfassen. „Das ganze Ding ist kollabiert, bevor die Menschen darin überhaupt bemerken konnten, dass es ein Problem gab“, betonte Marty.

Die Insassen der „Titan“ seien auf eine Art und Weise gestorben, bei der sie nicht einmal gewusst hätten, dass sie sterben würden, erklärte Marty. „Letztlich ist dies mit Blick auf die vielen Möglichkeiten, auf die wir sterben können, schmerzlos.

Bei einer Implosion bricht ein Objekt schlagartig zusammen, wenn der Außendruck größer ist als der Innendruck. Sie steht im umgekehrten Kräfteverhältnis zu einer Explosion. Schon der kleinste strukturelle Defekt kann in großer Tiefe eine solche Katastrophe auslösen.

Können die Leichen noch geborgen werden?

Die Küstenwache kündigte an, ihre Suche nun zurückzufahren. „Wir werden im Laufe der nächsten 24 Stunden damit beginnen, Personal und Schiffe vom Unfallort abzuziehen“, sagte Mauger weiter.

Die Operationen auf dem Meeresboden würden jedoch bis auf Weiteres fortgesetzt. Im Moment konzentriere man sich darauf, den Ort zu dokumentieren. Die Daten würden analysiert.

Auf die Frage, ob die Leichen der Besatzung gefunden werden könnten, gab es noch keine Antwort. Es handle sich in der Gegend des „Titanic“-Wracks um eine „unglaublich unversöhnliche Umgebung“, teilte die Küstenwache mit.

Wer waren die fünf Insassen der „Titan“?

Die Betreiberfirma OceanGate Expeditions erklärte, ihre Herzen seien „mit diesen fünf Seelen und jedem Mitglied ihrer Familien in dieser tragischen Zeit“.

Diese Männer waren wahre Entdecker, die einen besonderen Abenteuergeist teilten und eine tiefe Leidenschaft für die Erkundung und den Schutz der Ozeane“, hieß es in einer Mitteilung.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

An Bord des Mini-U-Boots befanden sich der Chef von OceanGate Expeditions, Stockton Rush, der britische Unternehmer und Abenteurer Hamish Harding, der britisch-pakistanische Geschäftsmann Shahzada Dawood und sein 19-jähriger Sohn Suleman Dawood sowie der französische „Titanic“-Experte Paul-Henri Nargeolet.

Der 77-jährige Nargeolet galt als einer der führenden Experten für das Wrack des Luxusliners. „Sein zweites Zuhause war das Meer, er fühlte sich dort so wohl“, sagte sein Stiefsohn John Paschall dem Sender CBS News. „Ich denke, es bedeutet sehr viel, dass er seine letzten Momente in der Nähe eines Ortes verbracht hat, der ihm so viel bedeutet hat.“

Die Familie des 58-jährigen Harding, der mehrere Guinness-Weltrekorde hielt und bereits ins All gereist war, teilte mit: „Was er in seinem Leben erreicht hat, war wirklich bemerkenswert, und wenn wir aus dieser Tragödie einen kleinen Trost schöpfen können, dann ist es, dass wir ihn bei dem, was er liebte, verloren haben.“

Suleman Dawood ist Student an der Strathclyde University im schottischen Glasgow. Die Hochschule zeigte sich in einer Mitteilung vom Donnerstag „tief besorgt“. Im schottischen Regionalparlament erinnerte die Abgeordnete Pam Duncan-Glancy von der Schottischen Nationalpartei (SNP) an den jungen Mann.

John Mauger, Kommandeur des First Coast Guard District, spricht zu Journalisten auf der Coast Guard Base Boston.
John Mauger, Kommandeur des First Coast Guard District, spricht zu Journalisten auf der Coast Guard Base Boston.

© AFP/JOSEPH PREZIOSO

Der 48-jährige Shahzada Dawood hatte zudem Verbindungen nach Deutschland: Seine Frau Christine stammt aus dem bayerischen Rosenheim, berichtete das „Oberbayerische Volksblatt“.

Wo kamen die Klopfgeräusche her?

Das vom Unternehmen OceanGate Expeditions betriebene Tauchboot war am Sonntag zu einer touristischen Tauchfahrt zum Wrack der 1912 gesunkenen „Titanic“ aufgebrochen. Nach eindreiviertel Stunden brach der Kontakt zum Begleitschiff ab.

Im Einsatzgebiet rund 700 Kilometer südlich der kanadischen Insel Neufundland hatten Trupps aus den USA und Kanada mithilfe weiterer Länder eine groß angelegte Suche sowohl an der Wasseroberfläche als auch in der Tiefe des Ozeans gestartet.

Im Einsatz waren Schiffe, Flugzeuge, Tauchroboter und andere Spezialausrüstung. Unterwassergeräusche hatten zwischenzeitlich Hoffnungen auf ein Überleben der Insassen der „Titan“ geschürt.

Ein Seeüberwachungsflugzeug der Royal Canadian Air Force fliegt ein Suchmuster.
Ein Seeüberwachungsflugzeug der Royal Canadian Air Force fliegt ein Suchmuster.

© REUTERS/CANADIAN FORCES

Die US-Küstenwache teilte nun mit, dass es wohl keinen Zusammenhang zwischen den wahrgenommenen Lauten und dem Fundort der Trümmer gegeben habe.

Der britische Außenminister James Cleverly drückte den Angehörigen der Opfer im Namen der Regierung sein Beileid aus. Sie stehe den betroffenen Familien bei, schrieb er auf Twitter.

Sicherheitsbedenken an Expeditionen: Drohen Konsequenzen?

Auch die „Titan“-Betreiberfirma Oceangate kondolierte den Familien. Die fünf Männer an Bord seien „echte Forschungsreisende“ gewesen, mit „speziellem Abenteuergeist und einer tiefen Leidenschaft für die Erforschung und den Schutz der Meere der Welt“. Man trauere und sei mit den Herzen bei den Angehörigen, hieß es weiter. Auch für die Mitarbeiter sei es eine „extrem traurige Zeit“.

Oceangate bietet zahlungskräftigen Kunden eine abenteuerliche Reise - die Kosten für die insgesamt achttägige Expedition liegen bei 250.000 US-Dollar (229.000 Euro) pro Person. Die Tauchfahrt zur „Titanic“ selbst dauert gewöhnlich aber nur einige Stunden.

Angesichts von Berichten über schlechte Sicherheitsvorkehrungen für das vermisste Tauchboot erwarten Experten Konsequenzen.

Man steuert dieses U-Boot mit einem Xbox-Gamecontroller.

David Pogue, Reporter „CBS“

„Es wird sicherlich eine Untersuchung nach dieser Katastrophe geben, und deutlich striktere Regeln und Vorschriften werden eingeführt werden“, sagte der Chef der auf „Titanic“-Ausstellungsstücke spezialisierten Firma White Star Memories, David Scott-Beddard, dem Sender CNN.

Führungskräfte der Tauchboot-Industrie hatten einem Artikel der „New York Times“ zufolge schon vor Jahren Sorgen bezüglich der Sicherheit der „Titan“.

Dieses von American Photo Archive zur Verfügung gestellte Foto zeigt den Innenraum des verunglückten Tauchboots «Titan» von OceanGate Expeditions mit den damals reisenden Passagieren.
Dieses von American Photo Archive zur Verfügung gestellte Foto zeigt den Innenraum des verunglückten Tauchboots «Titan» von OceanGate Expeditions mit den damals reisenden Passagieren.

© picture alliance/dpa/PA Media

„Wir befürchten, dass der aktuelle experimentelle Ansatz von Oceangate zu negativen Ergebnissen führen könnte (von geringfügig bis katastrophal)“, schrieben sie in einem auf 2018 datierten Brief, den die Zeitung veröffentlichte. Darin wird Oceangate irreführendes Marketing vorgeworfen. Chef Stockton Rush wurde dazu aufgerufen, die „Titan“ von einer unabhängigen Partei testen zu lassen.

Das passt zum Eindruck von Reporter David Pogue vom US-Sender CBS, der die Fahrt im vergangenen Jahr mitgemacht hatte. Er sagte der BBC, das Gefährt habe auf ihn einen improvisierten Eindruck gemacht.

„Man steuert dieses U-Boot mit einem Xbox-Gamecontroller“, sagte Pogue. Ein Teil des Ballasts bestehe aus Baurohren. Falls das Boot eingeklemmt werde oder Leck schlage, „gibt es kein Back-up, keine Rettungskapsel“, sagte er. 

Die „Titanic“ war im April 1912 auf ihrer Jungfernfahrt von England nach New York gesunken, nachdem sie einen Eisberg gerammt hatte. Fast 1500 der 2224 Menschen an Bord kamen ums Leben.

Wrack der „Titanic“ lockt Forscher und Touristen an

Das in zwei Teile zerbrochene Wrack der „Titanic“ wurde erst 1985 etwa 650 Kilometer vor der kanadischen Küste gefunden. Es liegt in internationalen Gewässern in etwa 4000 Metern Tiefe am Grund des Atlantiks.

Das damals größte Passagierschiff übt bis heute eine große Faszination aus. Regelmäßig besuchen Forscher, aber auch Touristen das Wrack. (Tsp/AFP/dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false