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Panorama: Ariadne im Wunderland

Die Autorin Ariadne von Schirach stellt ihr Debüt „Der Tanz um die Lust“ vor

Blasse Haut, blaue Augen, schlichtes Make-up, schwarzes noch schlichteres Kostüm – in ihrem adretten Auftreten und dem fast elfenhaften Äußeren wirkt die Autorin Ariadne von Schirach wie ein Gegenentwurf zu der Welt, über die sie schreibt. Dort geht es um Dildomaschinen, Nippelklammern, Gruppensex und private Pornofilme ihrer Bekannten. „Der Tanz um die Lust“ heißt ihr Erstlingswerk, das die Feuilletons der Republik erregt. Es ist ein deftiger Mix aus Essay und Erfahrungsbericht über Pornografie, Liebe, Erotik und Anziehung. Entdeckt wurde sie von der Agentur Eggers & Landwehr, die auch Wladimir Kaminer und Florian Illies auf ihrer Autorenliste hat.

Sex sells? Darum geht es von Schirach nicht, sagt sie. „Es interessiert mich das pornografische Menschenbild.“ Die Autorin will das Trugbild der immer potenten Männer und immer willigen Frauen entlarven. Das mache doch krank, findet sie. Die derben Ausdrücke sind für sie ein Stilmittel. „Ficken“ sagt nur die Ich-Erzählerin, nicht die Autorin. Öfter wird die gebürtige Münchnerin auf ihren Großvater, NS-Reichsjugendführer Baldur von Schirach, angesprochen, den sie nie kennengelernt hat und von dem sie sich distanziert. Er verschafft ihr ungewollt noch etwas extra Aufmerksamkeit, wie das so ist bei bekannten oder berüchtigten Familienmitgliedern. Mit ihrem Buch möchte sie „eine Vergnüglichkeit und ein Bewusstsein im Umgang mit dem eigenen Begehren“ schaffen.

Die Autorin selbst verbreitet eine eher dezente, unterkühlte Erotik. Am Donnerstagabend stellte sie es in Clärchens Ballhaus, im maroden Charme des Spiegelsaals, bei flackernden Kerzenleuchtern der versammelten Berliner Literaturszene vor. Und hier unter der hohen stuckverzierten Decke mischte sich im Publikum Neugier auf das Buch, über das so viel geschrieben wurde, mit der Neugier auf die junge schöne Autorin. „Der Tanz um die Lust“ ist schon jetzt das wichtigste Sex-Buch der Saison. Und die Philosophiestudentin weiß, was sie ihrem Publikum schuldig ist: „Das Buch hat vier Teile“ erklärt sie: „Im ersten geht es um Pornografie, im zweiten um Erotik. Der dritte handelt von der Jagd, also der Partnersuche, und im vierten schließlich – geht es um die Liebe. Ich habe beschlossen, ein Kapitel aus dem ersten Teil zu lesen.“ Ariadne von Schirach sitzt leicht erhöht in einer Nische am Ende des Saals. Die Füße übereinandergeschlagen. Die Beine unter dem Tisch gekreuzt. Nackte Knie blitzen unter dem schwarzen Kleid hervor. Vor ihr steht ein Wasserglas. Unaufgeregt, sachlich, zurückhaltend, nur stellenweise mit leichter Ironie referiert sie eine Stunde lang über die Abgründe der Pornografie. „Technische Visionen“ heißt der Abschnitt, den sie mit der Eleganz und Erotik einer dozierenden Ärztin vorträgt. Mit unschuldigem Blick erzählt sie von ihrem Freund Flexter, der ihr euphorisch seine selbst gedrehten Pornofilme der letzten Nacht vorspielt. Als Erzählerin kultiviert sie eine Haltung der fragenden Unschuld. Staunend, fragend, ungläubig – aber doch in Kenntnis der Fakten. (mit dpa)

„Der Tanz um die Lust“, Ariadne von Schirach, Goldmann, 14,95 €

Björn Trautwein

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