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Ein Riesen-Plakat mit einer Illustration, die ein projektiertes neues Stadtviertel in Belgrad zeigt, hängt in Belgrad neben dem alten Bahnhof.

©  Thomas Brey dpa

Sondergesetz für neues Stadtviertel: Belgrad soll „Manhattan an der Save“ werden

Ein Sondergesetz soll den Bau eines supermodernen Stadtviertels a la Dubai in Belgrad ermöglichen. Für die Regierung ist das der Aufbruch des armen Balkanlandes in die Moderne. Kritiker laufen Sturm dagegen.

Serbiens Regierungschef Aleksandar Vucic griff ganz tief in die Kiste mit historischen Vorbildern. Der breite Widerstand im Lande gegen das von ihm durchgedrückte „Manhattan an der Save“ sei begründet in der Ablehnung jeglicher Modernisierung und allen Fortschritts, sagte er bei der Begründung eines Sondergesetzes für das neue Stadtviertel der Superlative im Parlament in Belgrad. Das sei auch so beim Eiffelturm in Paris, bei Bauten im englischen Cambridge sowie bei der Einführung der Straßenbeleuchtung, von Stromüberlandleitungen und Brücken gewesen.

Am Ende beschlossen die Regierungsparteien mit ihrer erdrückenden Mehrheit am Freitag im Parlament das „Spezialgesetz“, mit dem die wichtigsten geltenden Vorschriften für das geplante neue Super-Stadtviertel außer Kraft gesetzt werden. Jetzt kann das Bauunternehmen Eagle Hills aus Abu Dhabi drei Milliarden Euro in der serbischen Hauptstadt investieren. Dafür sollen auf einer Million Quadratmetern Luxuswohnungen entstehen.

Weitere 750 000 Quadratmeter sind für Büros und Shopping-Malls vorgesehen. Prunkstück der futuristischen Bauten ist eine 220 Meter hoher Wolkenkratzer. Und das alles in einem Land, in dem die Durchschnittslöhne umgerechnet etwa 400 Euro betragen.

Prachtbauten auf eigene Kosten

Die serbische Regierung will in dem öffentlich-privaten Projekt der Extraklasse ein 177 Hektar großes Areal für die Prachtbauten auf eigene Kosten vorbereiten. Der alte Bahnhof soll verlegt und ein neuer gebaut werden. Auch der zentrale Busbahnhof soll verschwinden.

Eine Eisenbahnbrücke über die Donau ist geplant, die bisher im Stadtteil Savamala stehenden Gebäude müssen abgerissen, ihre Eigentümer entschädigt werden. Wasserversorgung, Kanalisation, Strom und Verkehrsinfrastruktur sind außerdem bereitzustellen.

Ministerpräsident Aleksandar Vucic wolle damit in die Geschichtsbücher eingehen, mutmaßen Kritiker. Der Regierungschef preist die „historischen Chancen“ an: Belgrad solle zum Wirtschaftszentrum von Südosteuropa aufsteigen und ein internationaler Magnet für Touristen werden.

Der Architektenverband AAS fährt starke Geschütze gegen das Projekt auf: Das Vorhaben stütze sich nur auf ein Modell, „dessen Autor und Herkunft unbekannt sind“. Vucic habe für sein Lieblingsprojekt die Parlamente als Bürgervertretungen „in Zustimmungsmaschinen umgewandelt“. Es gebe Verstöße gegen die Verfassung, zahlreiche Gesetze und internationale Konventionen.

Straße müsste zwölfspurig ausgebaut werden

Der Staat habe sich gegenüber dem privaten Investor vom Golf zu gewaltigen, aber eigentlich unlösbaren Infrastrukturmaßnahmen verpflichtet, wird weiter kritisiert. So müsse der Hauptzubringer zum neuen Viertel, die Savska-Straße, zwölfspurig ausgebaut werden. Doch dafür fehle der Platz. Niemand wisse, wie täglich 25 Millionen Kubikmeter Wasser, 100 Megawatt Strom und 40 000 Parkplätze bereitgestellt werden könnten. Daher laute die „einzig vernünftige Schlussfolgerung, das Projekt eiligst aufzugeben“, hieß es in der Expertise.

Auch Dutzende internationale Stadtplaner aus dem Verband INURA kamen nach einer Besichtigung vor Ort zu ähnlichen Einschätzungen. In einem Offenen Brief kritisierten sie die „hohen wirtschaftlichen Risiken und die geringen Vorteile für Belgrad“. Die Umweltverträglichkeit in dem Überschwemmungsgebiet sei außerdem gar nicht untersucht worden. Die schwache Opposition hatte am Freitag angekündigt, einen Antrag auf Offenlegung aller Pläne zu stellen, die bisher geheim seien.

Diese Verträge existierten möglicherweise gar nicht, hieß es von der Anti-Korruptionsorganisation Transparency Serbia. Die Bürger hätten das Recht, über die Risiken aufgeklärt zu werden. Schließlich gebe es weder die vorgeschriebenen internationalen Ausschreibungen noch eine Machbarkeitsstudie. Zeitungen zitierten den Architekten des spektakulären Wohn- und Büroturms, George Efstathiou: Er sei noch nie in Belgrad gewesen. (dpa)

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