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Wenn der Partner positiv getestet ist. „Truvada“ soll vorbeugend wirken.

© dpa

Kampf gegen Aids: Blau ist die Hoffnung

Aids-Schutz, einmal täglich: Das neue Medikament „Truvada“ soll Gesunde vor der Immunschwäche schützen. Es gibt aber auch skeptische Stimmen, nicht nur, weil das Mittel teuer ist.

Lange wurde hinter den Kulissen gerungen, und nun ist es offiziell: Die amerikanische Arzneibehörde FDA hat, wie bereits gemeldet, erstmals ein Medikament zugelassen, das bei täglicher Einnahme die Infektion mit dem Aids-Erreger HIV verhindern soll. Es ist eine blaue, längliche Tablette mit dem Namen „Truvada“. Sie enthält mit Tenofovir und Emtricitabin zwei bewährte Anti-HIV-Wirkstoffe. Wie aus Studien hervorgeht, kann „Truvada“ das Risiko einer Infektion beim Geschlechtsverkehr um bis zu 75 Prozent senken. Das war der Grund für die Zulassung des Aids-Medikaments in der Vorbeugung, fachsprachlich Präexpositions-Prophylaxe („Prep“) genannt.

Die Zulassung sei ein „Meilenstein im Kampf gegen Aids“, sagte die FDA-Mitarbeiterin Margaret Hamburg am Montag. Selbst die hohen Kosten von bis zu 14 000 Dollar im Jahr sollen durch eine geringere Zahl von Neuinfektionen mehr als ausgeglichen werden. Allerdings ist die Botschaft „Nimm Truvada und du bist geschützt“ ein wenig zu einfach. Die Realität ist komplizierter, weshalb auch unter den von der FDA zu Rate gezogenen Experten etliche skeptisch gegenüber der Zulassung waren.

Das beginnt bei den Studien. Die FDA hat ihrer Entscheidung zwei zugrunde gelegt. Nach der „Partners PreP“-Untersuchung in Uganda und Kenia an knapp 5000 heterosexuellen Paaren senkt das Mittel das Infektionsrisiko um 75 Prozent. In der „Iprex“-Studie, an der 2500 Schwule und Transgender-Frauen teilnahmen, wurde die Gefahr einer Infektion um 44 Prozent verringert. Die eine Hälfte bekam Truvada, die andere ein wirkstofffreies Scheinmedikament (Placebo). In einem Zeitraum von im Mittel gut einem Jahr infizierten sich 64 Männer in der Placebo-Gruppe, unter Truvada waren es nur 36 – der Unterschied von 28 schlägt als 44-prozentige Risikoverringerung zu Buche. Als die Forscher die Daten genauer auswerteten, stellten sie fest, das bei regelmäßiger täglicher Einnahme der Tabletten – längst nicht jede Versuchsperson hatte sich daran gehalten – der Schutz auf 90 Prozent stieg.

Andererseits gibt es auch Untersuchungen, deren Ergebnisse weniger bestechend sind. So musste die „Fem-Prep“Studie, an der mehr als 2000 Afrikanerinnen teilgenommen hatten, im April 2011 vorzeitig abgebrochen werden. Bei diesen Frauen gab es keinen Schutzeffekt durch Truvada, wohl aber eine Reihe von Nebenwirkungen. Die Wirkstoffe in dem Präparat werden zwar im Allgemeinen gut vertragen, können aber auf die Dauer Nieren und Knochen zusetzen. Das muss besonders berücksichtigt werden, wenn Gesunde das Mittel langfristig zur Vorbeugung einnehmen.

Die FDA hat die Zulassung mit Auflagen verknüpft. So muss der Hersteller Gilead Sciences prüfen, ob das Virus nach einer Infektion unter Truvada resistent wird, also auf bestimmte Wirkstoffe nicht mehr anspricht. Personen, die das Mittel verordnen, sollen geschult werden, um Patienten gut zu beraten. Die wichtigsten Punkte aus Sicht der FDA:

– Truvada ersetzt nicht das Kondom.

– Die Tablette muss täglich eingenommen werden, als sporadische „Partydroge“ könnte sie das Virus resistent machen.

– Regelmäßige HIV-Tests sind zwingend. Ist man infiziert, muss von Vorbeugung auf Therapie umgestellt werden.

Eine Alternative zur „Prep“ kann die Behandlung eines HIV-positiven Partners mit Aids-Medikamenten sein. Ist sie erfolgreich, senkt sie das Infektionsrisiko um mindestes 96 Prozent (Schutz durch Kondom: 95 Prozent). Darauf weist die Deutsche Aids-Hilfe hin. Eine frühzeitige Therapie der HIV-Infektion kann also auch dem HIV-negativen Partner helfen.

Europäische Experten, etwa die Deutsche Aids-Gesellschaft, reagieren bisher eher zurückhaltend auf das Vorpreschen der Amerikaner. Die europäische Zulassungsbehörde EMA hat 2011 ein „Reflektionspapier“ zur „Prep“ veröffentlicht, in der die etlichen ungeklärten Fragen erörtert, der Ansatz aber nicht in Bausch und Bogen verdammt wird. Zwar könne er sich vorstellen, dass Truvada bei gefährdeten Menschen ohne HIV-Infektion sinnvoll sein könne, sagt der Infektionsmediziner Christoph Boesecke von der Bonner Uniklinik. „Aber wir haben das Mittel noch keinem Patienten zur Vorbeugung verordnet.“

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