Panorama: Blondine von Welt
Paris Hilton ist überall in den Medien präsent, in allen Ländern – sie beherrscht wie keine andere die Kunst der Oberflächlichkeit
Sie verzaubert Fans und weckt Aggressionen. Wo immer sie hinkommt, warten Mädchen auf sie und wollen ein Autogramm. Überall ist ihr Bild zu sehen. Die 20-Jährige ziert die Cover der Frauenzeitschriften, sie beherrscht die Unterhaltungssendungen im Fernsehen, sie beherrscht alle „People“-Magazine. Keine andere Frau steht derzeit weltweit so im Mittelpunkt wie Paris Hilton.
Wie ist so etwas möglich? Die meisten Prominenten können etwas. Wenigstens ein bisschen. Singen zum Beispiel, oder schauspielern. Oder Tennis spielen. Irgendwas. Was aber kann Paris Hilton?
Sie kann ein kindlich-verführerisches Lächeln aufsetzen, sobald Scheinwerfer auf sie gerichtet werden. Sie kann schüchtern-kokett ihr rechtes Händchen hochwerfen, wenn sie die Menge grüßt. Sie kann aufreizend ein paar Schritte vorwärts gehen, sehr darauf achtend, dass sie dabei die Hüfte nicht zur Seite, sondern nach vorne wiegt. Das wirkt naiver und unbekümmert weiblicher. Wenn sie in der Öffentlichkeit spricht, scheint ihr Wortschatz begrenzt zu sein. „It’s hot“, das ist ihr häufigster Spruch. Den sagt sie immer. Als sie bei ihrer „Deutschlandtournee“ eine PR-Pressekonferenz für GoYellow – Gelbe Seiten im Internet – absolvierte, beschränkte sie sich auf einige Hauptsätze. Selbst die las sie vom Blatt ab. Am Schluss wusste sie nicht mehr, was sie sagen könnte und da kam es dann wieder: „It’s hot“.
Wo immer sie auftaucht, mimt sie gekonnt die einfältige Blonde, zutraulich wie ein junges Kätzchen, Männer mit Blicken verführend.
Sie gibt sich als lebender Blondinenwitz. Das empfinden viele als eine Provokation. Darf es sein, dass die präsenteste Frau des Planeten als blondes Dummchen daherkommt? Professor Jo Groebel, Medienexperte, sagte über Paris Hilton: „Sie ist ein fleischgewordener Klingelton. Selbst die Luderliga ist tiefgründiger.“
Die Empörung über das Niveau dieser Frau hat auch „Bild“ erfasst. „Bild“-Kolumnistin Christiane Hoffmann versprach ihren Leserinnen und Lesern: „Ich schreibe nie wieder ein Wort über Paris Hilton.“ Begründung? „Sie ist blond und blöd.“ Und. „Sie ist ein Nix.“
„Ein großes, blondes Nichts“, das schrieb auch der „Spiegel“. Dieses „Nichts“ ist aber offenkundig so gut inszeniert, dass es alle anderen Frauen der Prominentenwelt an die Seite drängt. Dazu bedürfte es eigentlich eines guten Regisseurs und einer verdammt guten Darstellerin. Von einem Regisseur hinter Paris Hilton ist nichts bekannt. Es scheint ganz so zu sein, dass diese Frau etwas Außergewöhnliches kann.
Wer nach einer Berufsbezeichnung für sie sucht, findet meistens den Begriff Hotelerbin. Sie ist die Urenkelin des Firmengründers Conrad Hilton, der das gleichnamige Hotelimperium aufbaute. Der von drei Frauen vier Kinder hat. Die wiederum Kinder haben, die Kinder haben. Die Erbfolge und die Teilung der Vermögen durch viele ist kompliziert. Paris ist Erbin, aber die Höhe des Erbes ist vergleichsweise gering: zwischen 25 und 30 Millionen Dollar, besagen Schätzungen.
Eine Erbschaft in dieser kleinen Größenordnung bekommen jährlich viele auf der Welt, die dadurch noch lange nicht in die Society befördert werden. Die Erbschaft ist auch fast ein Nichts im Vergleich zu dem, was Paris derzeit mit ihrer eigenen Tüchtigkeit verdient. Und mit ihrem Namen. 114 Millionen Dollar soll sie in den letzten fünf Jahren verdient haben, da dürften aber die jüngsten Verträge noch nicht dabei sein. Paris verdient als Model, sie verdient mit Parfümserien, Handtaschen-, Schmuck- und anderen Modekollektionen. Sie kassiert für Werbeauftritte. Allein für ihren Einsatz bei „GoYellow“ – diese Gelben Seiten im Internet – soll sie 500000 Euro bekommen haben. Für einen Clubbesuch bekommt sie 200000 Dollar, weil ihr Besuch den Club adelt. Der ist dann „hot“. Schließlich die Film- und Fernseh-Gagen. Mit ihrer Rolle in der TV-Serie „The simple Life“, in der sie grell geschminkt Kuhställe ausmisten musste, stahl sie im US-Fernsehen sogar Präsident Bush die Schau, als der eine seiner wichtigsten Kriegsreden hielt. Auch an ihrem angeblichen Privatpornofilm mit dem bezeichnenden Titel „One Night in Paris“, den ein Ex-Freund angeblich ohne Absprache mit ihr in Umlauf brachte, soll sie inzwischen mitverdienen. Sie kann sogar Bücher schreiben. In ihren „Confessions of a Heiress“ schrieb sie: „Lächle stets hübsch. Sprich wenig.“
Paris Hilton war mit ihrem unschuldigkecken Barbie-Puppen-Auftreten früh erfolgreich. Sie schmiss mit 16 die Schule und trieb sich in den angesagtesten Clubs der Welt herum. Ihr Name machte sie zu etwas Besonderem, sie kam überall rein, und überall war sie mit ihrer Masche bei Männern erfolgreich. Dieses Gefallenwollen beherrscht sie bis heute wie keine andere. So kam eins zum anderen. Ihr Name, ihr Ruf als verruchtes Partygirl, ihre berühmten Freunde aus dem Musikbusiness, da dauerte es nicht lange, bis die Medien über sie berichteten und sie als Stilikone die ersten Handtaschen mit ihrem Namen zierte.
Frauen mit Gefallsucht werden diskriminiert. Von Männern, die sie für oberflächlich und ordinär halten. Und von Frauen. Aus denselben Gründen.
Es gab schon viele Frauen, die Modekollektionen entwarfen oder Partygirl waren. Aber keine Frau war in ihrem Fach bisher so erfolgreich wie Paris Hilton. Es scheint, als ob sie die Kunst, sich als Nichts zu inszenieren, versteht wie nie zuvor eine andere. „Es gibt niemanden, der so ist wie ich“, sagte sie einmal.
Das könnte stimmen. Ihr Erfolg hängt möglicherweise tatsächlich von keiner ausgebufften PR-Strategie ab, sondern von ihr selbst. Vielleicht ist Paris Hilton eine ganz tolle Frau.