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Britische Royals: „Genug ist genug“ - Der tiefe Fall von Prinz Andrew
Der Skandal um Sexualstraftäter Epstein hat den britischen Prinzen Andrew nie losgelassen. Jetzt ist eine weitere Eskalationsstufe erreicht. Endet das Drama um den Bruder von König Charles damit?
Stand:
Es gab Zeiten im Vereinigten Königreich, da galt Prinz Andrew als das Lieblingskind der Queen. Heute, nach seinem beispiellosen Fall im Zuge des Skandals um Sexualstraftäter Jeffrey Epstein, ist der 65-Jährige zur größten Belastung für die britische Monarchie und seinen Bruder, König Charles III. (76), geworden. „Der in Ungnade gefallene Andrew“, schrieb die Boulevardzeitung „The Sun“.
Was ist passiert?
Nach neuen mutmaßlichen Beweisen für die wohl tiefe Freundschaft zwischen Andrew und Epstein und kurz vor der Veröffentlichung der Memoiren des bekanntesten Opfers hat der Prinz am Freitagabend seine verbliebenen Titel und Ehrungen aufgegeben. „Nach Diskussionen“ mit dem König und seiner Familie, steht in der offiziellen Mitteilung zwar. Der Tenor diverser britischer Medien ist aber klar: Andrew musste verzichten - sonst hätte der König den Schritt von oberster Stelle aus angeordnet.
„Das war eindeutig nicht allein Prinz Andrews Entscheidung“, analysierte der Sender Sky News. Vom ersten Satz der Mitteilung an werde kein Zweifel daran gelassen, dass Charles gesagt haben müsse: „Genug ist genug.“
Dass der König mit der Entscheidung zufrieden sei, sage alles, meinte der Sender mit Blick darauf, dass die Epstein-Affäre und Andrew seit Jahren einen Schatten auf das britische Königshaus werfen. „Für den Monarchen und die Familie mussten die Fragen über Andrew aufhören.“ Gerade Thronfolger Prinz William (43) soll eine der treibenden Kräfte hinter dem Ausschluss seines Onkels gewesen sein.
Mit dem Abschied von Titeln und Ehren sei Andrews Verbannung aus dem royalen Leben nun endgültig abgeschlossen, wie die Nachrichtenagentur PA schrieb. Noch härter urteilte der „Guardian“: Prinz Andrew habe seinen Status eindeutig geschätzt, meinte die Zeitung. „Jetzt ist seine Demütigung komplett.“
Warum ist der Skandal weiterhin so präsent?
Andrew bestreitet - auch in der jüngsten Mitteilung - alle Vorwürfe. Die gebürtige US-Amerikanerin Virginia Roberts Giuffre, deren Memoiren am Dienstag erscheinen, hatte ihm vorgeworfen, sie als Minderjährige missbraucht zu haben. Ihre Klage gegen den Prinzen endete 2022 in einem wohl millionenschweren Vergleich. Sie nahm sich im April im Alter von 41 Jahren das Leben.
Seine Schwester habe von Anfang an die Wahrheit gesagt, sagte Giuffres Bruder Sky Roberts nun der BBC. „Wir haben heute viele freudige und traurige Tränen vergossen“, sagte er nach Andrews Bekanntgabe - freudige deshalb, weil dies seine Schwester in vielerlei Hinsicht rehabilitiere.
Andrews frühere Einlassungen zu dem Skandal wirkten nicht glaubwürdig. Nur Monate nach Epsteins Tod im Jahr 2019 hatte Andrew sich zu einem BBC-Interview hinreißen lassen, das zum Desaster wurde. Er ließ kaum Mitleid mit den Opfern Epsteins erkennen, bereute nicht einmal, mit ihm befreundet gewesen zu sein. Zudem stritt er ab, Giuffre jemals getroffen zu haben. Dabei gibt es ein Foto, das die beiden Arm in Arm zeigt, Andrews Hand ruht dabei auf der Hüfte von Giuffre.
Der Autor und Royal-Schreck Andrew Lownie hatte erst kürzlich ein Buch mit dem Titel „Entitled - The Rise and Fall of the House of York“ (etwa: Privilegiert - Der Aufstieg und Fall des Hauses York) veröffentlicht, in dem er zahlreiche weitere mutmaßliche Eskapaden von Prinz Andrew und dessen Ex-Frau Sarah Ferguson aufzählte. „Ich hatte Schwierigkeiten, etwas Positives über Andrew zu finden“, sagte Lownie vor einigen Wochen zu Journalisten in London.
In den vergangenen Tagen war über Schreiben von Andrew an Epstein berichtet worden, laut derer er auch nach dem angeblichen Bruch mit dem Unternehmer loyal gewesen sein soll. In dem BBC-Interview hatte Andrew gesagt, er habe den Kontakt nach Epsteins Verurteilung abgebrochen. Epstein starb 2019 in Untersuchungshaft in einem New Yorker Gefängnis.
Welche Folgen hat Andrews Entscheidung?
Einem Historiker zufolge, den die BBC zitierte, ist es das erste Mal seit über 100 Jahren, dass ein Herzog in der britischen Monarchie seinen Titel verliert. Damals war es demnach einer der Enkel von Königin Victoria gewesen, der im Ersten Weltkrieg auf deutscher Seite gekämpft hatte. „Aus historischer Sicht ist dies ein sehr, sehr bedeutender Schritt“, sagte Anthony Seldon der BBC.
Andrew ließ mitteilen, er werde seinen Titel als Herzog von York (Duke of York) und die ihm verliehenen Ehren nicht mehr führen. Gänzlich aberkannt werden kann ihm die Herzogswürde laut PA nur durch das Parlament. Zu den aufgegebenen Ehren gehören der Ritterorden des Royal Victorian Order und seine Rolle als „Royal Knight Companion“ im elitären Hosenbandorden des Königs. Auch die Weihnachtsfeierlichkeiten der Königsfamilie auf dem Landsitz Sandringham werden von nun an ohne Andrew stattfinden.
Prinz bleibt Andrew als drittältestes Kind von Queen Elizabeth II. ebenso wie die Nummer acht der britischen Thronfolge. Seine Ex-Frau Sarah (66), genannt „Fergie“, verliert ihren Titel als Herzogin von York und firmiert nur noch unter ihrem Mädchennamen Sarah Ferguson. Die Töchter Beatrice (37) und Eugenie (35) bleiben Prinzessinnen.
Was hat Trump mit dem Epstein-Skandal zu tun?
Die britischen Medien hatten in Auszügen bereits in den vergangenen Tagen über Giuffres Memoiren („Nobody's Girl“) berichtet. Die Vorwürfe gegen Andrew werden darin erneuert, teils mit drastischen Worten. Dass sich Andrew dazu erneut äußern wird, gilt als unwahrscheinlich.
Der Epstein-Skandal ist darüber hinaus weit davon entfernt, aufgeklärt zu sein. In den USA wird Präsident Donald Trump mit Vorwürfen zu dessen Beziehung zu Epstein konfrontiert. Trump tut dies als Lügengeschichten ab.
Finanzier Epstein, der über viele Jahre systematisch Minderjährige missbraucht hatte, beging mit 66 Jahren in seiner Gefängniszelle in New York offiziellen Angaben zufolge Suizid. In Teilen der US-Gesellschaft sorgte Epsteins Tod für Spekulationen, weil er beste Kontakte in die amerikanische High Society hatte. Trump hatte im Wahlkampf versprochen, die Epstein-Akten offenzulegen. Weil er dies bislang nicht getan hat, steht er unter Druck - auch aus dem eigenen Lager.
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