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Rund 630 Kilogramm Kokain sind bei einem gescheiterten See-Drogentransport an die Insel Borkum angeschwemmt worden.

© Arne Dedert/dpa

Neue Lagebilder: Bund warnt: Organisierte Kriminalität wird immer brutaler

Mehr Kokain, mehr synthetisches Rauschgift, mehr Gewalt: Zwei neue Bundeslagebilder zeigen, wie sich Drogenhandel und Kriminalität ausbreiten und modernisieren. Was sagt Innenminister Dobrindt dazu?

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Ein ausgestellter einzelner Kokainfund, rund 630 Kilogramm schwer in seefesten Behältern, konfiszierte Schusswaffen auf einem Tisch und vieles mehr: Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat sich beim Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden über neue Trends bei Verbrechen informiert. Der Bund schlägt in dem Zusammenhang wegen mehr tödlicher Gefahren mit Drogen und mehr Gewalt der Organisierten Kriminalität in Deutschland Alarm.

Bei der Vorstellung der beiden Bundeslagebilder Rauschgiftkriminalität und Organisierte Kriminalität 2024 mit BKA-Präsident Holger Münch und dem Bundesdrogenbeauftragten Hendrik Streeck (CDU) warnt Dobrindt: „Das Drogengeschäft ist das gefährlichste Feld der Organisierten Kriminalität. Die Zahlen bei Kokain und synthetischen Drogen steigen drastisch an.“ Der Minister ergänzt: „Wir haben ein massives Drogenproblem in Deutschland.“

Labore produzierten in wenigen Wochen tonnenweise Rauschgift. Schmuggler passen sich laut Dobrindt dem Ermittlungsdruck an: „Neue Routen, neue Methoden, neue Brutalität. Das ist kein Randproblem, das ist eine Bedrohung für unsere Kinder, unsere Gesellschaft und unseren Rechtsstaat.“

Ermittler entdecken zahlreiche Drogenlabore

2024 haben Ermittler laut dem BKA 37 Produktionsstätten für Rauschgift, darunter elf Großlabore, sichergestellt. Die Zahl der Todesfälle alleine nach dem Konsum synthetischer Opioide wie etwa Nitazene ist von vier im Jahr 2023 auf 32 im Jahr 2024 in die Höhe geschossen. Anstiege gibt es auch bei Neuen Psychoaktiven Stoffen (NPS).

Zwar ist die Gesamtzahl der Rauschgiftdelikte 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 34,2 Prozent auf 228.104 Fälle gesunken. Doch das erklären Ermittler vor allem mit der Teillegalisierung von Cannabis im April 2024. Laut Dobrindt sind somit Tür und Tor für mehr Rauschgiftkonsum geöffnet: „Die Verfügbarkeit ist deutlich größer geworden und damit auch die Nachfrage.“ Drastisch formuliert der Bundesinnenminister: „Ein richtiges Scheißgesetz, wenn Sie mich fragen.“

Der Bundesdrogenbeauftragte Streeck spricht von einem „Boom bei Kokain, Crack und synthetischen Drogen“. Der Konsum im öffentlichen Raum weite sich aus, das belaste Kommunen zunehmend. „Besorgniserregend ist vor allem, dass Konsumierende jünger und experimentierfreudiger werden“, ergänzt Streeck. Sie mischten zunehmend verschiedene Drogen. Zugleich verlagere sich der Rauschgifthandel verstärkt ins Internet - „mit schwer kontrollierbaren, hochdynamischen Strukturen“. Laut dem BKA reichen bei digitalen Verkaufsplattformen oft einige Klicks für Drogenlieferungen ins Jugendzimmer.

Teils neue Strategien der Drogenhändler

Beim Kokain, das laut Streeck „in weiten Teilen in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist“, vermuten Ermittler zwar einen Erfolg bei Schutzstrategien in Seehäfen etwa mit schwierigerer Zugänglichkeit von Containern für Schmuggler. Dennoch hat es dem BKA zufolge mit wachsenden Anbaugebieten in Südamerika, alternativen Drogenrouten über südwesteuropäische Häfen und der Lieferung mit Frachtschiffen samt Übergabe an kleinere Boote auch vor Deutschlands Küsten 2024 „einen starken Anstieg“ gegeben. 

Die im BKA präsentierten sichergestellten rund 630 Kilo Kokain seien ein Missgeschick der Verbrecher gewesen, womöglich wegen ungünstiger Meeresströmungen oder -gezeiten oder verlorener Ortungstechnik: Das Rauschgift ist an die Insel Borkum angelandet worden.

Minister Dobrindt betont: „Das Drogengeschäft ist das gefährlichste Feld der Organisierten Kriminalität“, abgekürzt OK. Diese sei „eine der größten Bedrohungen für unseren Rechtsstaat. Sie agiert brutal und skrupellos, weltweit“, bis hin „zur Einflussnahme auf Entscheidungsträger“. 

Organisierte Kriminalität rekrutiert auch jugendliche Täter

Laut dem Bundeslagebild hierzu gibt es „eine zunehmende Gewaltbereitschaft auch im öffentlichen Raum“. Für ihr Buchungsmodell „Violence as a Service“ werben OK-Gruppierungen auch Kinder und Jugendliche über Online-Dienste, Gaming-Plattformen und Messenger-Dienste für Drohungen, Angriffe oder gar Tötungen an. In Einzelfällen seien diese unerfahrenen Jungtäter auch selbst zu Tode gekommen, etwa bei der Zündung eines sogenannten Blitzknallsatzes. 

Die Organisierte Kriminalität bietet dem BKA zufolge generell immer mehr kriminelle Dienstleistungen an - als „Crime as a Service“. Dazu gehöre auch Geldwäsche. Die Professionalisierung hier erleichtere einerseits den Kundengruppierungen der OK die Einschleusung von Geld aus kriminellen Aktivitäten in den legalen Wirtschaftskreislauf. Andererseits müssten diese Banden den Anbietern der Geldwäsche eine lukrative Provision zahlen. 

Gewaschenes Geld kann wieder neue Verbrechen finanzieren. Minister Dobrindt strebt nach eigenen Worten eine Beweislastumkehr bei verdächtigem Geld an: Wenn hier eine legale Herkunft nicht nachgewiesen werden könne, solle es eine „vereinfachte Einziehung“ geben können. Außerdem kündigt der CSU-Politiker an, dass BKA stärken zu wollen - auch personell „in dreistelliger Höhe“.

Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) erklärt: „Der Zoll hat im Jahr 2024 im Behördenvergleich erneut die meisten Verfahren im Bereich der Organisierten Kriminalität geführt – wegen Steuer- und Zolldelikten ebenso wie in den Bereichen Rauschgift oder Menschenhandel.“ Mit der Strategie „Zoll 2030“ solle der Zoll noch moderner und schlagkräftiger werden. 

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordert im Kampf gegen die Drogenkriminalität, die Polizei „im 21. Jahrhundert“ „personell, technisch und rechtlich auf Augenhöhe“ zu bringen.

© dpa-infocom, dpa:251024-930-201659/2

Das ist eine Nachricht direkt aus dem dpa-Newskanal.

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