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Panorama: Das Phantom der Opfer

Praktikanten werden ausgenutzt. Stimmt das? Fünf Ehemalige erzählen von Chancen und Flops

Ich habe schon viel Mist erlebt als Praktikant. Schlimm war die Zeit als „Verkehrs-Man“ beim Radio. Da haben ständig LKW-Fahrer angerufen und mir schreiend mitgeteilt, dass „uff da Stadtautobahn ’n tierischer Stau is’, Keule!“. Das war nichts für mich. Ich habe die Seiten gewechselt, allerdings unfreiwillig. Ich kann einigermaßen mit meiner Gitarre umgehen und wollte irgendwas mit Musik machen. Ich bekam die Chance, bei einer Agentur zu arbeiten, die die Cowboys unter Vertrag hat. „Boss Hoss“, heißt die Band. Irgendwann sagte mein Chef, dass ich den Tour-Bus fahren sollte. Ein prima Job. Am ersten Tag – wir sind auf der Autobahn nach Hamburg – sagten sie: Ey, du kriegst jetzt ’nen neuen Spitznamen! Sie nannten mich „Otto“. So heißt der chaotische Busfahrer bei den Simpsons. Ich fahre die Band noch immer. Und es ist jedes Mal lustig.

Otto heißt natürlich anders, aber das würde die Jungs von „Boss Hoss“ nur noch unnötig verwirren. Und nervige Diskussionen auf der Autobahn mag Otto gar nicht.

Nach einem sehr durchschnittlichen Abitur und meinem Zivildienst stand ich vor der Wahl: BWL-Studium in Freiberg oder Praktikum beim Film in Hamburg? Ich entschied mich für die Alster, für eine Werbefilmproduktion. Ich muss nicht schlecht gewesen sein, nur mein Englisch war bescheiden. Irgendwann sagte mein Chef: Das muss besser werden, hier haste einen Praktikumsplatz in Südafrika. Puh! Ich stürzte mich also in ein finanzielles Wagnis und sah sechs Monate Meer und Sonne. Das Beste war ein Dreh am Morgen, für einen deutschen Autohersteller. Die Szene ging so: Ich, der Darsteller, musste so tun, als ob ich verkatert nach einer Party im Auto sitze – schlafend an die Fensterscheibe gelehnt. So, dass die Wange an der Scheibe klebt. Mein Beifahrer wacht auf und findet es lustig, den automatischen Fensterheber hoch- und runterfahren zu lassen: Also Wange, quietsch, hoch, Wange, quietsch, runter. Das war der Lacher des Films. Ein witziger Dreh am anderen Ende der Welt – nur die Bezahlung war mies.

Ronny ist aus Kapstadt zurückgekehrt und hat wieder erfolgreich die deutsche Blässe angenommen. Er ist jetzt festangestellt bei der Firma in Hamburg und freut sich besonders über Praktikantinnen.

Was du studierst, ist egal, wenn du Journalistin werden willst. Es zählt nur eins: Praxis. Diesen Ratschlag habe ich beherzigt und 15 Praktika in zehn Jahren gemacht. Die Höhepunkte: Zu meinem ersten Auftrag – ein Bericht über ein Bauerntheater in Hillmicke, Südwestfalen – musste ich mich von meinem Vater fahren lassen. Ich war vorher durch die Führerscheinprüfung gefallen. Beim zweiten Praktikum rülpste der Lokalzeitungsredakteur. Beim vierten Praktikum hatte die Fernsehproduktionsfirma sich ausgedacht, dass ich alle 130 Kassetten mit Video-Rohmaterial nach Themen geordnet archivieren soll. Was auf den Kassetten drauf war, musste ich durch Angucken erraten. Beim Sechsten musste ich jeden Montag in die Stadt gehen und Äpfel, Bananen und Birnen für den Obstkorb der PR-Agentur kaufen. Beim neunten Praktikum lernte ich Roberto Blanco kennen und merkte, dass er extra schwarzen Puder von zu Hause mitgebracht hatte und sich damit abpuderte, bevor er beim ZDF auftrat. Das Zehnte machte ich gerade dann in Prag, als dort die Jahrhundertflut so beunruhigend weit anstieg, dass ich meinen Koffer jeden Tag aufs Bett stellte und abends froh war, wenn die Moldau nicht ins Zimmer geschwappt war. Beim Zwölften habe ich meinen Freund kennen gelernt. Beim 14. Praktikum habe ich die Moderatorin aus Praktikum Nummer acht wiedergetroffen. Beim 15. Praktikum hat mir der Chef ein Bügeleisen geschenkt. Warum tue ich mir das an? Als Single in einer Clique voller Pärchen hatte ich früher niemanden, der mit mir in Urlaub fuhr - also verbrachte ich den Sommer beim Praktikum. Na ja, eigentlich wollte ich nur alles richtig machen. Mit Praxis, Praxis, Praxis. Das sah anfangs auch gut aus im Lebenslauf. Jetzt sagen die Leute, zu viele Praktika wären auch nicht gut. Deshalb überlege ich jetzt, welche ich aus dem Lebenslauf streichen soll.

Dorothee ist jetzt auf der Journalistenschule München. Da, wo vor ihr auch Jauch, Maischberger und Karasek waren.

Die Schornsteine der Bayer-Werke hatten mich schon immer fasziniert. Dieses gigantische Werk, all die Arbeiter! Als ich mit 15 Jahren mein Schulpraktikum machen sollte, war mir klar: Ich, der Kölner, gehe nach Leverkusen! Ich werde Chemie-Laborant bei Bayer! Irgendetwas ist bei der Anmeldung am Werkstor schief gelaufen und ich wurde in eine Monster- Halle mit 300 Schülern geschickt – zum täglichen Metall-Schleifen. Drei Wochen lang, ein Trauma. Bestimmt wollten die Leverkusener mich, den Kölner, heulen sehen, aber diesen Gefallen tat ich ihnen nicht. Ich kratzte erbost „1. FC KÖLN - FOREVER!“ auf die Werkstoilette. Es war mein letzter Tag in Leverkusen.

Antonio wollte danach nie wieder Chemie-Laborant werden. Er arbeitet heute in führender Position in der Sportbranche. Seine Nachbarstadt Leverkusen nennt er „Parkplatz von Köln“.

Was habe ich mich gefreut: Gleich nach dem Grundstudium bekam ich ein Praktikum in einer der bekanntesten deutschen Werbeagenturen! Sechs Monate lang entwickelte ich also Broschüren, Flyer und Hefte mit. Ich suchte Fotos raus, zum Thema „Theaterpause“ etwa. Die brauchten wir zum Brainstorming, um eigene Bildideen zu entwickeln. Ich dachte an einen Lichtschalter als Methapher, meine Chefin fand das nicht so cool, wollte lieber Kanapee-Häppchen zeigen. Sechs Jahresberichtshefte für den Sparkassenverband haben wir entworfen. Dummys basteln war eine meiner Aufgaben, das sind von Hand geklebte Broschüren, die man als Beispiele dem Kunden gibt. Um neun morgens anfangen, nie vor 20 Uhr nach Hause gehen, so waren meine Arbeitszeiten. Vor jeder Präsentation haben wir bis halb sechs morgens gearbeitet. Ich fand das okay, es hat mir eben Spaß gemacht. Aber am Ende kam die große Enttäuschung. Kollegen haben mich für eine Hilfskraft-Stelle vorgeschlagen. Und ausgerechnet die Chefin, für die ich bis frühmorgens gearbeitet habe, sagte: „Dir ist dein Privatleben zu wichtig“. Wie sie darauf kam, versteh’ ich bis heute nicht.

Maria dreht heute vor allem Videofilme und arbeitet gerade an ihrer Diplomarbeit. Sie hat schon mehrere Preise für ihre Designs bekommen. Ätsch!

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