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Panorama: "Der hat schon zu viele Chancen gehabt"

OLDENBURG .Rote Grablichter flackern vor dem Oldenburger Landgericht - Symbole einer stummen Demonstration am letzten Verhandlungstag im Kindermord-Prozeß.

OLDENBURG .Rote Grablichter flackern vor dem Oldenburger Landgericht - Symbole einer stummen Demonstration am letzten Verhandlungstag im Kindermord-Prozeß."Opferrecht vor Täterschutz", steht auf einem der vielen Transparente.Als gegen 14 Uhr das Urteil verkündet wird, lassen Demonstranten eine mitgebrachte Glocke läuten.Schwarze Luftballons steigen in den Novemberhimmel auf.Der Angeklagte hinter der kugelsicheren Glaswand bleibt unbewegt, senkt den Kopf und blickt ins Leere, als der Richter den Schuldspruch verkündet: "Lebenslang wegen Mordes in zwei Fällen."

Niemand hatte etwas anderes erwartet.Verschärfend hinzu kommt, daß Ronny Rieken (30) wegen der "besonderen Schwere der Schuld", die das Gericht feststellt, nicht darauf hoffen kann bereits nach 15 Jahren vorzeitig entlassen zu werden.Und die Prognose, die Richter Rolf Otterbein dem Verurteilten mit auf den Weg gibt, ist nicht eben günstig: Nach heutigen Erkenntnissen sei Riekens "verfestigter Hang zu schwersten aggressiven Taten" durch eine Therapie nicht zu beheben.Lebenslang könne daher im Falle Rieken tatsächlich "ein Leben lang" bedeuten.Immer tiefer senkt sich der Kopf Riekens, während der Richter sein Urteil begründet."Der Schock ist verflogen, aber das Entsetzen über die Grausamkeit der Taten bleibt", sagt Otterbein, der detailliert die lange Reihe der Sexualverbrechen auflistet, die in den Morden an der 13jährigen Ulrike Everts und der elfjährigen Christina Nytsch gipfelten.

"Heimtückisch und zur Verdeckung einer Straftat" hat Rieken die Mädchen aus Sicht des Gerichts getötet."Beide haben ihrem Mörder von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden", sagt Otterbein.Rieken sei klargewesen, daß er sie "keinesfalls laufen lassen durfte, wenn er unentdeckt bleiben wollte".

Das Gericht hält Rieken für voll schuldfähig.Keine krankhafte Störung sei der Grund für seine Verbrechen gewesen, sondern schlicht das Streben nach möglichst einfachem Lustgewinn.Daß Rieken als Kind selbst von seinem Vater mißbraucht wurde, wie er behauptet, glaubt ihm das Gericht nicht.

Riekens Verteidiger Rolf Sauerwein sprach sich dafür aus, seinem Mandanten eine Therapie zu ermöglichen.Jeder Straftäter müsse "die Chance haben, irgendwann einmal wieder das Licht der Sonne zu sehen".Auch Rieken selbst bittet in seinem "letzten Wort" um die Chance einer Therapie."Wenn man es wirklich will, dann klappt das auch", sagt der Angeklagte.Immer wieder beteuert der Mann mit dem blitzenden Ohrring, daß es ihm "sehr leid tut, was passiert ist".Daß er an den vorangegangenen fünf Verhandlungstage keine Reue gezeigt habe, liege daran, "daß ich nicht gelernt habe, meine Gefühle zu zeigen".Wirklich aufgewühlt wirkt er auch jetzt nicht.

Christinas Vater, der gemeinam mit seiner Frau als Nebenkläger jeden Prozeßtag miterlebte, bleibt unbeeindruckt von der plötzlichen Reue."Ich nehme ihm das nicht ab", sagt Manfred Nytsch in nachdenklichem Ton."Wenn er heute so nett daherredet, darf man nicht vergessen, mit welcher Brutalität er vorgegangen ist." Ob der Mörder der Tochter noch eine Chance verdient? "Der hat schon viele zu viele Chancen gehabt", sagt Christinas Mutter.

Jedem Verurteilten sei die Chance zu eröffnen, an sich zu arbeiten, urteilte der Richter, ohne jedoch seine Skepsis zu verhehlen.An die Eltern der ermordeten Mädchen gerichtet, äußerte Otterbein am Schluß die Hoffnung, daß der Prozeß ihnen helfe zur Ruhe zu kommen.Die Lehre aus dem "Fall Rieken" muß nach Ansicht Otterbeins darin bestehen, niemals wegzuschauen, wenn Kinder Opfer von Gewalt werden.

HEINRICH THIES

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