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Panorama: Die Qual des Wals

In einer dramatischen Aktion versuchten Experten, den verletzten Säuger aus dem Fluss ins rettende Gewässer zu bringen – vergebens

London - Zehntausende Londoner am Themseufer und viele Millionen Fernsehzuschauer weltweit wurden am Samstag Zeugen des dramatischen Ringens um die Rettung des „Londoner Moby Dick“. Am Ende erlag der Meeressäuger trotz aller Bemühungen von Experten und dutzenden freiwilligen Helfern seinen Verletzungen und den Folgen einer enormen Stress-Situation. „Wir haben alles getan, was in unseren Kräften stand“, sagte Alan Knight von der britischen Organisation der Meerestaucher. Der mehr als fünf Meter lange Entenwal war am Freitagmorgen zur Überraschung tausender Londoner und Touristen in der Themse vor dem weltberühmten Big Ben gesichtet worden. Er hatte sich aus den Tiefen der Nordsee in die Themse verirrt. Die Gründe dafür liegen weiter im Dunkeln.

Das Tier fand den Weg ins offene Meer nicht zurück und strandete nach stundenlangem Umherirren am Samstagmittag bei Ebbe am Ufer des Stadtteils Chelsea. Der gestrandete Wal war von Helfern in einem aufblasbaren Ponton auf einen Schleppkahn verfrachtet worden, der rasch Kurs auf die Themsemündung nahm. An Bord der Barkasse, deren Weg BBC-Kameras von einem Hubschrauber aus verfolgten, verschlechterte sich sein Zustand zusehends. Gegen 20 Uhr MEZ stellte ein Veterinär den Tod des Meeresriesen fest.

Die Kosten der Rettungsoperation wurden auf mehr als 100 000 Pfund (150 000 Euro) geschätzt. „Das waren wir uns schuldig, wir sollten so einen Versuch auch in künftigen Fällen immer wieder unternehmen“, sagte der Meereskundler David Taylor Reportern.

Der rund vier Tonnen schwere Entenwal war der erste dieser Art, der in der Themse gesichtet wurde, seit vor nahezu100 Jahren Aufzeichnungen über solche Beobachtungen begannen. Die Londoner hatten „Free Whaley“, wie eine Zeitung den Riesen unter Anspielung auf den Wal-Film „Free Willy“ taufte, rasch ins Herz geschlossen. „Warum können wir ihn denn nicht hier behalten?“, fragte die kleine Sarah Lanington am Themse-Ufer einen Helfer des Britischen Taucherverbandes. Das Mädchen war wie hunderte andere Kinder mit seinen Eltern unterwegs. „So was erlebt man doch nur einmal“, sagte ihr Vater.

Bereits vor dem Stranden des Wals stand für Experten fest, dass er in der Themse keine Überlebenschancen haben würde. „Der Entenwal ist an große Meerestiefen gewöhnt, hier hat er nur wenige Meter bis zum Grund.“ Bei seiner verzweifelt anmutenden Suche zog sich der Wal bereits am Freitag Verletzungen am Kopf und am Schwanz zu, als er in zu flaches Wasser geriet, das Ufer streifte und dann auch mit einem leeren Boot zusammenstieß. In der Nacht war der Riesensäuger nicht gegen die starke Flut von der Nordsee her angekommen, berichtete die BBC.

Er sei nicht nur durch den Kampf gegen die Flut sehr geschwächt worden, sondern auch „völlig konfus“, sagte der Meerestier-Experte und BBC-Moderator Terry Nutkins. Seine Lage sei die „eines Riesen in einem Goldfischbecken mit lauter fremden Geräuschen und einer schwarzen Binde vor den Augen“ gewesen. Der Wal habe „seine natürliche Echolot-Orientierung nicht nutzen“ können.

Eine Sprecherin des Internationalen Tierschutzfond IFAW sagte, die große Anteilnahme der Londoner und von Fernsehzuschauern in aller Welt sei „rührend“. Es wäre aber „besser, wenn die Menschen dies zum Anlass nehmen würden, um gegen das Abschlachten von Walen in anderen Teilen der Welt zu protestieren“. So habe Japan gerade erklärt, in diesem Jahr doppelt so viele Wale töten zu wollen wie im vergangenen Jahr.dpa/Tsp

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