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17 Beamte wegen Körperverletzung unter Verdacht: Frankfurts Polizei-Chef bezeichnet Vorwürfe als „sehr gravierend“
In Hessen ermitteln die Behörden gegen 17 Polizeibedienstete eines Reviers in Frankfurt am Main. Im Raum steht der Verdacht der Körperverletzung im Amt, der Strafvereitelung und der Verfolgung Unschuldiger.
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Tritte, Schläge oder den Kopf gegen die Wand gestoßen: Es sind schwere Vorwürfe, die gegen Frankfurter Polizisten im Raum stehen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen 17 Beamtinnen und Beamte des 1. Frankfurter Polizeireviers, weil sie in sechs Fällen während oder nach Festnahmen entweder selbst gewalttätig geworden sein oder weggeschaut haben sollen. Einer der Geschädigten habe einen Nasenbeinbruch erlitten, sagte Oberstaatsanwalt Dominik Mies. Hinweise auf ein extremistisches oder rassistisches Motiv gebe es bislang nicht.
In einem Fall soll ein Mann eine Treppe heruntergestoßen worden sein. Die Übergriffe sollen sich zwischen Februar und April dieses Jahres ereignet haben. Ins Rollen kamen die Ermittlungen, nachdem die sechs Männer Anzeige erstattet hatten. Zwei von ihnen sind nach Angaben der Staatsanwaltschaft in Syrien geboren, aber staatenlos. Zwei haben die deutsche Staatsangehörigkeit, zwei die algerische.
Die Ermittler durchsuchten 21 Wohnungen und vier Dienststellen der Polizei, darunter das 1. und das 4. Frankfurter Polizeirevier. Es sei dabei vor allem um die Handys und Dienstcomputer der Tatverdächtigen gegangen, um eventuell erkennen zu können, ob sie sich über die Taten ausgetauscht hätten, sagte Oberstaatsanwalt Mies.
Polizeibehörden, Staatsanwaltschaft, hessisches Innenministerium, sie alle sind alarmiert. Innenminister Roman Poseck (CDU) kündigt ein hartes Vorgehen und personelle Konsequenzen an. Zur Vermeidung jeden Anscheins einer nicht unabhängigen Bearbeitung sind die Sachverhalte laut Poseck dem Landeskriminalamt (LKA) übergeben worden.
Frankfurter Polizeipräsident Stefan Müller sieht das Ansehen der Polizei gefährdet. „Die im Raum stehenden Vorwürfe sind sehr gravierend“, sagte er nach den Durchsuchungen. Menschen im Gewahrsam müssten sicher vor Übergriffen sein. Die körperliche Integrität jeder einzelnen Person in staatlichem Gewahrsam sei zu wahren.
„Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in eine integre Polizei ist Grundvoraussetzung für unser tägliches Handeln und für unseren Erfolg“, sagte Müller. Die Tatvorwürfe gingen zulasten aller rechtmäßig handelnden Beamten.
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Bei den Ermittlungen gegen fünf Beamtinnen und zwölf Beamte zwischen 24 und 56 Jahren geht es um mutmaßliche Körperverletzung und Strafvereitelung im Amt sowie die Verfolgung Unschuldiger. Zwei der Verdächtigen sind Führungskräfte.
In fünf Fällen hätten die Beamten zu ihrer Rechtfertigung Fake-Ermittlungen gegen die Opfer wegen Widerstands oder Angriffe eröffnet. Kameras im Polizeirevier, an Polizeiuniformen und im öffentlichen Raum sollen einige der Übergriffe dokumentiert haben.
Unter Verdacht stehen Streifenpolizisten und Vorgesetzte im 1. Polizeirevier. Dieses liegt mitten in einer sehr belebten Gegend der Innenstadt an der Konstablerwache. Die Umgebung hat einen eher rauen Charme, hier spielt das pralle, harte Leben in Hessens größter Stadt – mit der Einkaufsstraße Zeil, mehreren Nachtclubs sowie einem kleinen Rotlichtviertel.

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Das stellt Polizistinnen und Polizisten im Streifendienst vor besondere Herausforderungen und Belastungen. Sie müssen tagtäglich mit Betrunkenen und Drogensüchtigen umgehen, sind mit Gewalt, Prostitution oder Menschenmassen konfrontiert. Generell, das beklagt die Polizei seit vielen Jahren, nehmen Respektlosigkeit und Angriffe auf Uniformierte zu.
Innenminister Poseck erklärt: „Die Tatvorwürfe wiegen sehr schwer. Es ist ein Grundpfeiler unseres Rechtsstaats, dass die Menschen darauf vertrauen können, dass die Polizei Gewalt nur bei Zwangsmaßnahmen und im Rahmen des erforderlichen Umfanges anwendet.“
Disziplinarverfahren und Dienstverbote
Gegen alle 17 Polizisten kündigt Poseck Disziplinarmaßnahmen an, gegen sechs von ihnen sogar auch ein Dienstverbot. Die Beamten, bei denen die Vorwürfe so ein Verbot nicht rechtfertigten, würden in den Innendienst versetzt. „Zusätzlich wird die Spitze des 1. Polizeireviers ausgewechselt“, teilt Poseck mit. Zwar gebe es gegen sie keine Vorwürfe, aber der Schritt sei nötig, um die Handlungsfähigkeit des Reviers zu sichern.
Sein Vertrauen in die hessische Polizei bleibe gleichwohl ungebrochen, ergänzt der Innenminister: „Mir kommt es auf eine klare Trennlinie zwischen den sehr wenigen Beamten, die sich mutmaßlich fehl verhalten haben, und den anderen mehr als 16.000 rechtschaffenen Polizisten in Hessen an.“ Die Vorwürfe müssten lückenlos aufgeklärt werden.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Hessen hofft angesichts des gravierenden Verdachts auf schnelle Ermittlungsergebnisse. Gleichzeitig warnt GdP-Landeschef Jens Mohrherr vor einem Generalverdacht gegen die gesamte hessische Polizei, wie er der Deutschen Presse-Agentur sagt.
Revier war schon mal in den Schlagzeilen
Das erste Polizeirevier in Frankfurt war vor einigen Jahren schon einmal in die Schlagzeilen geraten. Nach rechtsextremen Drohschreiben mit der Unterschrift „NSU 2.0“ an zahlreiche Personen des öffentlichen Lebens liefen zwischenzeitlich Ermittlungen in dem Komplex gegen einen Polizisten und eine Polizistin des Reviers, sie wurden aber Ende 2023 eingestellt.
Für einen Strafprozess gegen die Mitglieder der Gruppe reichten die Vorwürfe nicht, da es sich nach Ansicht der Juristen um eine kleine, geschlossene Chatgruppe handelte und die Inhalte somit nicht öffentlich verbreitet wurden. Das Land leitete aber Disziplinarverfahren gegen die suspendierten Beamten ein.
Bei den Durchsuchungen am Freitag waren rund 150 Beamtinnen und Beamte des hessischen Landeskriminalamtes sowie Beamte der Staatsanwaltschaft beteiligt. Bei den Tatverdächtigen wurden mehrere Mobiltelefone und Datenträger beschlagnahmt, die nun ausgewertet werden. Bislang liegen den Angaben zufolge keine Hinweise auf ein extremistisches Motiv vor. (dpa/AFP)
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