Panorama: Endlich ich
Diese Woche: Selda Temür Ich kam in die Welt. Groß sollte ich werden.
Diese Woche: Selda Temür
Ich kam in die Welt.
Groß sollte ich werden.
Sehen sollten meine Augen
Meine Familie, meine Mutter,
Von der ich mich löste.
Sehen sollten meine Augen
Die Hände, die mich großzogen.
Sehen sollten die Augen Taten anderer,
An denen ich mich orientieren sollte.
* * *
Gesehen habe ich immer die anderen,
Jedoch nicht mich.
Drum zog ich die Frage in mir groß:
Wer bin ich?
* * *
Hören sollten meine Ohren
Die Ratschläge meiner Eltern.
Hören sollten meine Ohren
Die Warnungen und Tadel.
Hören sollten meine Ohren
Was andere denken, wissen, erzählen.
Gehört habe ich die anderen,
Jedoch nicht mich.
* * *
Sprechen sollte mein Mund Worte,
Die andere gern hören wollen.
Sprechen sollte mein Mund
Die Meinungen und Ideen anderer.
Sprechen sollte mein Mund das,
Was erlaubt und angesagt war.
Gesprochen habe ich nur für andere,
Jedoch nicht für mich.
* * *
Eines Nachts träumte ich.
Im Traum vernahm ich die Stille,
Die zu mir sprach:
Schließe deine Augen,
Deine Ohren und deinen Mund.
* * *
Als ich aufwachte,
War ich blind, taub und stumm.
Um mich herum wurde es still.
In dem Moment
Sehen meine Augen mich,
Vernehmen meine Ohren
Meine innere Stimme
Und meine Stimme bekomme ich,
Um diesmal der Welt zu sagen,
Wer ich bin.
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