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Ein Mitglied einer Spezialeinheit der Polizei ist nach einem Vorfall im Einsatz, bei dem zwei Menschen getötet und mindestens zehn verletzt wurden, als es in einem Dorf zu einer Schießerei kam, die ein hochrangiger Polizeibeamter als Familienfehde bezeichnete.

© REUTERS/Stefanos Rapanis/EUROKINISSI

Familienfehde auf Kreta eskaliert: Zwei Tote und 14 Verletzte nach Schießerei in griechischem Bergdorf

Nach einer Explosion haben sich zwei rivalisierende Familien ein Feuergefecht geliefert. Schwer bewaffnete Polizisten sichern nun die Krankenhäuser, in denen die Verletzten liegen. Die Polizei fürchtet weitere Gewalt.

Stand:

Im beschaulichen kretischen Bergdorf Vorizia ist eine langanhaltende Fehde zwischen zwei Familien eskaliert. Am Samstagmorgen versank der Ort im Kugelhagel von Sturmgewehren, Pistolen, Revolvern und Flinten, als die beiden Familien aneinandergerieten.

Ein 37-jähriger Mann und eine 57-jährige Frau kamen ums Leben, 14 Menschen wurden verletzt, zwei davon schwer, wie griechische Medien berichten. Befürchtet wird nun die Fortsetzung der „Blutrache“, wie sie noch im letzten Jahrhundert auf Kreta durchaus üblich war.

Im Moment herrscht gespannte Ruhe in dem 500-Einwohner-Dorf, das südwestlich der kretischen Stadt Heraklion liegt. Schwer aufgerüstete Sondereinheiten der griechischen Polizei durchsuchen jedes einzelne Haus und sollen nach Berichten griechischer Medien auch weiterhin im Ort bleiben.

Konflikt um Neubau?

Bei der Eskalation soll es sich um den Konflikt zwischen zwei Großfamilien im Dorf handeln, berichtete ein Reporter des Nachrichtensenders ERTnews. Zunächst war an der Baustelle eines Neubaus der einen Familie in der Nacht zum Samstag eine Bombe explodiert.

Polizisten stehen nach einem Vorfall, bei dem zwei Menschen getötet und mindestens zehn Menschen bei einer Schießerei in einem Dorf verletzt wurden, Wache.

© REUTERS/Stefanos Rapanis/EUROKINISSI

Die betroffenen Familienmitglieder zogen den Berichten zufolge daraufhin am Samstagmorgen in Richtung der Häuser der gegnerischen Familie und eröffneten das Feuer. Es sollen Tausende Schüsse gefallen sein. Videoaufnahmen zeigen den Abtransport eines Pick-Ups, dessen Heck von Kugeln zerlöchert ist.

Tote auf beiden Seiten

„Ich bin dem Tod gerade so von der Schippe gesprungen“, sagte ein Augenzeuge dem Sender Kriti TV. „Plötzlich sah ich einen Geländewagen, aus dem es in alle Richtungen schoss.“ Sein Auto sei mehrfach getroffen worden, bevor er darin fliehen konnte. Während es sich bei den meisten Verletzten und auch den Toten um Mitglieder der beiden Familien handeln soll, sollen auch sechs völlig unbeteiligte Menschen verletzt worden sein, berichtete ERTnews.

Sondereinheiten der Polizei schieben derweil vor zwei Krankenhäusern in der Stadt Heraklion Wache – die Verletzten der jeweiligen Familien wurden sicherheitshalber in unterschiedliche Einrichtungen gebracht. Zuvor mussten die Menschen teils mit Traktoren und Privatwagen in die Krankenhäuser gebracht werden, weil der Rettungsdienst sich nicht ins Dorf traute. Die beiden Toten gehören den Angaben nach jeweils zu einer der gegnerischen Familien.

Bekannte Fehde im Gebiet von Touristenhochburg

Blutrache – in Griechenland Vendetta genannt – flammt auf Kreta gelegentlich in abgelegenen Regionen auf, wo alte Familienrivalitäten bis heute nachwirken. Erschwerend kommt hinzu, dass es bis heute zum Selbstverständnis vieler kretischer Männer gehört, Waffen zu besitzen.

Das hier ist ein typisch kretisches Dorf. Hier redet niemand.

Reporter im Sender ERTnews

Eine der bekanntesten Fehden ereignete sich im Gebiet der heutigen Touristenhochburg Chania. Sie begann im Jahr 1910 und zog sich bis in die Mitte der 1980er Jahre. Angeblich ging es um eine „Ehrensache“ zwischen den Familien Sartzetakis und Pentarakis. Im Laufe der Jahrzehnte nahmen die Kämpfe immer erschreckendere Ausmaße an. Insgesamt fanden gut 120 Menschen aus beiden Familien den Tod. Die Fehde konnte erst durch Vermittlungen auf höchster politischer Ebene beendet werden.

In vielen Fällen sind die Konflikte so alt und undurchsichtig, dass sich niemand mehr daran erinnert, was der Auslöser war. Einzig der Hass bleibt, vererbt über Generationen hinweg. Auch bei der jetzigen Eskalation in Vorizia bleibt abzuwarten, ob die eigentlichen Gründe für den Konflikt herausgefunden werden.

Denn neben der Blutrache gibt es auf Kreta noch ein weiteres Phänomen, wie ein griechischer Reporter im Sender ERTnews beschrieb: „Das hier ist ein typisch kretisches Dorf. Hier redet niemand.“ (dpa)

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