Panorama: Fit für die Uni
Mentoren helfen russlanddeutschen Schülern
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Erleichtert betrachtet Natalia die Farbbalken auf dem Blatt Papier vor sich: Zehn Stunden zum Lernen, das reicht ja eigentlich.“ Gemeinsam mit ihrer Mentorin Theresia Wirth hat die siebzehnjährige Russlanddeutsche einen Wochenplan erstellt: Der Unterricht ist rot markiert, die Lernzeit grün. „Freizeit brauchst du aber auch“, sagt Theresia Wirth, und Natalia malt den Sonntagnachmittag gelb: „Da gehen wir Eis essen“, sagt sie zu ihrer Freundin Katharina, die neben ihr sitzt.
Natalia Cygankow und Katharina Antonuk besuchen die zehnte Klasse der Thüringen-Oberschule in Berlin-Marzahn. Dieses Jahr werden sie ihre Mittlere Reife ablegen, danach wollen sie auf ein Gymnasium wechseln und später studieren, „auf jeden Fall Sprachen“, sagt Katharina.
Katharina ist seit fünf Jahren in Deutschland und Natalia seit acht. Beide gehören zu den 55 russlanddeutschen Schülern von vier Marzahner Schulen, die an „Fit für Bildung – Fit für bürgerschaftliches Engagement“ teilnehmen. So der Name eines Programms vom Verein Berlinpolis, das seit 2005 läuft. Sein Ziel ist es, russlanddeutschen Aussiedlern der Klassen zehn bis dreizehn den Zugang zur Hochschule zu erleichtern, gefördert wird es vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und der Robert-Bosch-Stiftung. Gerade in Marzahn besteht Bedarf an solch einem Engagement: Hier sind unter den Erstklässlern seit vielen Jahren 20 Prozent Kinder russlanddeutscher Herkunft. „Es ist wichtig, nicht nur an den Rändern der Gesellschaft zu integrieren“, sagt die Projektleiterin Julia Gerometta. „Wir wollen russlanddeutsche Schüler auch an die Uni bringen.“ Das Potenzial dazu hätten die vier Schüler, die sie betreut, sagt Theresia Wirth. „Aber ihnen ist das deutsche System einfach ganz fremd.“
Die Mentoren helfen: Gegen ein Entgelt von 100 Euro treffen sie sich über einen Zeitraum von einem Jahr zweimal monatlich mit den Jugendlichen, vermitteln ihnen Lerntechniken, bereiten sie konkret auf Prüfungen vor und beraten sie bei der Studienwahl. Alle Mentoren studieren selbst. Laut Natalia Tibelius, Sozialarbeiterin an der Thüringen-Oberschule, ist das ein großer Vorteil: „Viele der Schüler kennen sonst gar keine Studenten.“ Auch dass neun der 15 Mentoren selbst russlanddeutsch sind, hält Tibelius für sinnvoll. „Dass jemand mit ihrem Hintergrund diese Hürde genommen hat, das macht den Schülern Mut.“
Bis zum Studium wird es bei Natalia noch etwas dauern. Nun ist sie erst einmal zuversichtlich, dass sie die anstehenden Prüfungen bestehen wird: Mit dem genauen Zeitplan erscheint ihr das Lernpensum zu bewältigen.
Interessierte Mentoren oder Jugendliche, die Hilfe brauchen, können sich bei Berlinpolis melden, Telefon 44 04 78 05
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