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Hamburg: Tödliche Schüsse bei den Zeugen Jehovas

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Update

Was bisher über die Tat in Hamburg bekannt ist: Mutmaßlicher Täter ist 35-jähriger Philipp F. – Ungeborenes unter den Todesopfern

Bei einer Veranstaltung der Zeugen Jehovas fallen Schüsse, acht Menschen sterben, darunter auch der mutmaßliche Täter. Er war laut Polizei früher Mitglied der Gemeinde.

| Update:

In einer Kirche der Zeugen Jehovas in Hamburg sind am Donnerstagabend acht Menschen erschossen und mehrere weitere zum Teil schwer verletzt worden. Der Angriff habe sich im Stadtteil Groß Borstel ereignet, teilte die Polizei mit. Ein Überblick über die derzeitigen Erkenntnisse.

Die Opfer

Bei den Todesopfern handele es sich um vier Männer und zwei Frauen im Alter zwischen 33 und 60 Jahren sowie ein ungeborenes Kind (die Mutter war im 7. Schwangerschaftsmonat). Bei dem achten Toten handelt es sich laut Polizei um den Täter.

Verletzt worden seien zudem sechs Frauen und zwei Männer, vier von ihnen schwer, teilweise wiesen sie multiple Schusswunden auf.

Die Tat

Die Schüsse fielen demnach gegen 21 Uhr. Bereits um 21.09 Uhr seien die ersten Polizeibeamten vor Ort gewesen, sagte Hamburgs Innensenator Andy Grote auf einer Pressekonferenz am Freitagmittag. Dabei hätten sie permanent Schüsse hören können. Gegen 21.11 Uhr hätten sich die Polizisten Zutritt zum Gebäude verschafft „und das Tatgeschehen unterbrochen“. Durch das schnelle Einschreiten hätten die Beamten „vielen Menschen das Leben gerettet“.

Nach den Angaben von der Pressekonferenz waren zum Zeitpunkt der Tat rund 50 Menschen in einem Saal des dreistöckigen Gebäudes, in dem eine Veranstaltung stattfand.

Nachdem sich die Beamten mittels Schusswaffeneinsatz Zutritt zur Kirche verschafft hatten, sei der mutmaßliche Täter in das erste Stockwerk geflüchtet, sagte Matthias Tresp, Leiter der Hamburger Schutzpolizei. Dort sei der Mann später tot aufgefunden worden, die Polizei geht davon aus, dass er sich selbst erschoss.

Aufgrund von Zeugenaussagen über einen möglichen zweiten Täter hätte die Polizei weitere Gebäude der Zeugen Jehovas im Hamburger Stadtgebiet aufgesucht, um einer möglichen größeren Gefahrenlage angemessen zu begegnen, sagte Tresp. Später konnte die Polizei die Möglichkeit eines zweiten Täters ausschließen.

Bevor sich der mutmaßliche Täter Zugang zu dem Gebäude verschaffen konnte, habe er bereits mehrere Schüsse auf ein Auto auf dem Parkplatz vor dem Gebäude abgefeuert. Die Fahrerin habe sich leicht verletzt retten können, so Tresp. Laut dem Vertreter der Hamburger Staatsanwaltschaft, Ralf Anders, wurden im Gebäude 15 Magazine mit 15 Schuss Munition sowie weitere 200 Schuss Munition gefunden.

Der mutmaßliche Schütze

Bei dem mutmaßlichen Schützen handelt es sich laut Polizei um den 35-jährigen Philipp F., er stammt nach dpa-Informationen aus Bayern. Der Mann wuchs demnach im Regierungsbezirk Schwaben auf, laut Polizei lebte und arbeitet er seit 2014 in Hamburg. Er sei später selber Mitglied der angegriffenen Jehovas-Gemeinde in Hamburg gewesen, sagte Thomas Radszuweit, der Vizechef der Staatsschutzabteilung, auf der Pressekonferenz. Der Austritt aus der Gemeinde vor etwa anderthalb Jahren sei nicht harmonisch gewesen.

Der Täter habe zudem seit Dezember 2022 eine waffenrechtliche Erlaubnis als Sportschütze und in diesem Zusammenhang eine legale Schusswaffe besessen. Bei dieser habe es sich auch um die Tatwaffe gehandelt. Mit dieser habe er in dem Gebäude 135 Schuss abgegeben, sagte Radszuweit.

Eine anonyme Quelle habe die Behörden im Januar 2023 zudem über einen angeblichen psychischen Ausnahmezustand des Waffenbesitzers informiert, erläuterte der Hamburger Polizeipräsident Ralf Meyer bei der Pressekonferenz. Eine anschließende Überprüfung im Februar habe keine Erkenntnisse diesbezüglich ergeben, und die Beamten hätten keine weitere Handhabe gegen den Mann gehabt.

Polizisten und Helfer in Hamburg im Einsatz.

© dpa/Jonas Walzberg

Der Polizeieinsatz

Wie der Tagesspiegel aus Hamburger Polizeikreisen erfuhr, soll der Täter dank der Umstände relativ schnell gestoppt worden sein. Denn im näheren Umkreis der Kirche befindet sich eine Polizeistation, in der zur Tatzeit gerade Schichtwechsel war. Aus diesem Grund waren den Angaben zufolge zwei Schichten einsatzbereit – die Beamten, die am Dienstende waren, und diejenigen, die gerade ihren Dienst antraten.

Zu einer anderen Zeit und ohne die Nähe zum Revier hätte die Polizei nicht so schnell mit so einem großen Aufgebot reagieren und den Täter schnell stoppen können, hieß es aus den Polizeikreisen weiter. Als die Beamten eintrafen, sei der Täter noch in Aktion gewesen. Dies bestätigten die Beamten auch auf der Pressekonferenz am Freitagmittag.

Wie die Polizei mitteilte, traf die sogenannte Unterstützungsstreife für erschwerte Einsatzlagen (USE), die sich in der Nähe befindet, wenige Minuten nach Meldung der Tat am Tatort ein. Die USE besteht aus speziell ausgebildeten Bereitschaftspolizisten, die in Einsatzwagen im Stadtgebiet unterwegs sind. Die Grundidee der USE ist, eine Lücke zwischen dem normalen Streifendienst und den hochspezialisierteren Spezialkommandos (SEK) zu schließen, die erst einmal mobilisiert werden müssen.

Der Hintergrund der Tat

Die Polizei stuft die Tat als Amoklauf ein. Das bestätigte auch Hamburgs Innensenator Andy Grote auf der Pressekonferenz. Als Extremist war der mutmaßliche Schütze demnach nicht bekannt. Es gebe keinerlei Hinweise auf einen politischen oder terroristischen Hintergrund, hieß es weiter.

Dass sein Name dennoch in den Datenbanken der Sicherheitsbehörden auftauchte, hat dem Vernehmen nach auch keinen kriminellen Hintergrund, sondern damit zu tun, dass er eine waffenrechtliche Erlaubnis beantragt hatte. Dafür ist immer auch eine Abfrage der Zuverlässigkeit nötig, bei der Bezüge zu Straftaten und Extremismus geprüft werden. 

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Die Durchsuchung der Wohnung

Spezialkräfte durchsuchten auch die Wohnung des Mannes. Dies sei noch in der Nacht erfolgt, hieß es auf der Pressekonferenz. Dabei seien auch geladene Magazine und weitere Schachteln mit Munition gefunden worden. Man habe zudem Laptops und Smartphones beschlagnahmt.

Berichte von Zeugen

„Ich habe gegen zehn vor neun Uhr mehrfach Schüsse vernommen. Die klangen sehr metallisch“, sagte Anwohnerin Lara Bauch.

„Erst dachten wir, dass auf der Baustelle so spät noch Arbeiten sind. Es hat sich dann herausgestellt, dass das nicht der Fall ist“, sagte eine Studentin der Deutschen Presse-Agentur. „Es waren ungefähr vier Schussperioden. In diesen Perioden fielen immer mehrere Schüsse, etwa im Abstand von 20 Sekunden bis einer Minute.“

„Ich habe dann weiter aus dem Fenster geschaut und bei den Zeugen Jehovas eine Person ganz hektisch vom Erdgeschoss ins erste Geschoss laufen sehen“, schilderte die Studentin. Menschen seien später von Polizisten an Händen und Füßen auf die Straße getragen worden.

„Erfahrungsgemäß ist der Gottesdienst hier schon immer sehr gut besucht“, sagte die 23-Jährige weiter. Die Besucher und Besucherinnen seien immer sehr gemischt – Familien, ältere Leute, jüngere Leute.

Ein Video, das auf Twitter hochgeladen wurde, zeigt Krankenwagen und Polizeikräfte vor Ort:

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Gefahrenwarnung eingestellt

Alle im Umfeld der Kirche ergriffenen Maßnahmen würden sukzessive eingestellt, teilte die Polizei am Freitagmorgen weiter mit. Auch eine am Abend zunächst ausgegebene amtliche Gefahrenwarnung wurde am Freitagmorgen kurz nach 3 Uhr wieder aufgehoben. In der Warnung waren die Menschen rings um den Tatort zur Vorsicht aufgerufen worden.

Autofahrer sollten den Bereich weiträumig umfahren, der Gefahrenbereich sollte gemieden werden. Menschen im Gefahrenbereich sollten an ihrem Aufenthaltsort bleiben und sich vorläufig nicht ins Freie begeben, hieß es weiter in der Warnmeldung.

Zudem veröffentlichte die Polizei einen Zeugenaufruf: Es sei ein Hinweisportal eingerichtet worden, „auf das Fotos und Videos zur Tat oder relevanten Ereignissen in diesem Zusammenhang hochgeladen werden können“. (Mit Agenturen)

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