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Panorama: "In zwölf Sekunden alles verloren"

ARMENIA .Ihr hellrotes Kleid besteht nur noch aus Fetzen.

ARMENIA .Ihr hellrotes Kleid besteht nur noch aus Fetzen.Es bietet kaum Schutz vor der Kälte der Nacht.Mit Tränen in den Augen läuft die 26jährige Frau durch die Ruinen der Stadt, die ein fürchterlicher Erdstoß in wenigen Sekunden in eine Trümmerlandschaft verwandelt hat."Mein Sohn, mein geliebter Sohn", weint Iliana Patricia Vega.Die junge Kolumbianerin befand sich gemeinsam mit ihrem zehn Jahre alten Sohn und der sechsjährigen Tochter im ersten Stock ihres Hauses, als das Beben das Gebäude einstürzen ließ.Jon Alexander war auf der Stelle tot.

"Hat jemand Medizin für mich, ich brauche Medikamente", fleht sie und streichelt ihrer kleinen Tochter über die blutende Stirn.Überall in Armenia, der von dem Beben am meisten zerstörten Stadt, wärmen sich verängstigte Bewohner an Lagerfeuern, die sie vor den Trümmern ihrer Häuser angesteckt haben.

"Wenn es eine Hölle gibt, dann bin ich schon drin", sagt Ramirez, der sich vor seinem verwüsteten Haus an einem Feuer wärmt.Gegenüber kauert eine vierköpfige Familie, die wie durch ein Wunder gerettet wurde.Ihr Haus stürzte ein, doch die Decke des Raums, in dem sie sich aufhielt, gab nicht unter den Schuttmassen nach."In zwölf Sekunden habe ich alles verloren, was ich in zwanzig Jahren aufgebaut habe", sagt der 46jährige Pedro Maria Londono.

Die Hilfe trifft zunächst nur zögerlich ein.Erst müssen Erdmassen weggeräumt werden, die die Hauptverbindungsstraßen zwischen Armenia, das im Herzen des kolumbianischen Kaffee-Anbaugebietes liegt, und der Außenwelt blockieren.Die betroffene Region mit Armenia und der 550 000 Einwohner zählenden Provinzhauptstadt Pereira liegt in einer seismisch sehr aktiven Zone, eingezwängt in einem engen Tal zwischen den West- und den Zentralanden.Das Beben der Stärke 6,0 war in weiten Teilen des südamerikanischen Landes zu spüren, auch in der rund 200 Kilometer östlich gelegenen Hauptstadt Bogota.

Militärflugzeuge bringen Medikamente, Nahrung und Decken in die zerstörten Gemeinden des Andentals.Die Regierung schickte Lastwagen und schweres Räumgerät.Schulen und Sportstadien in Armenia und anderen Städten wurden in Notunterkünfte und Leichenhallen umgewandelt.

Noch ist das ganze Ausmaß der Katastrophe nicht zu überblicken.Einsatzkräfte befürchten, daß allein in Armenia mehr als 2000 Leichen unter den Trümmern liegen.Die Einsatzdienste seien derart überlastet, daß sie viele Leichen noch gar nicht bergen konnten, berichtet ein Feuerwehrmann.

Mit wenig Gerät kämpfen die Retter, um im Wettlauf mit der Zeit Überlebende aus den Trümmern zu bergen.Einige Bulldozer von nahegelegenen Baustellen sind die einzige Hilfe, die sie haben.Eine Feuerwehr hat die Provinzhauptstadt Pereira nicht mehr - ihre Einsatzzentrale fiel durch das Beben wie ein Kartenhaus in sich zusammen.16 Feuerwehrmänner sind tot, alle Löschzüge wurden unter den Trümmern vollständig begraben.Viele Helfer räumen deshalb den Schutt mit bloßen Händen weg.Mit Wassereimern kämpfen sie gegen die Brände.

Das Deutsche Rote Kreuz hat zu Spenden für die Opfer aufgerufen: Konto 41 41 41 des DRK, Dresdner Bank Bonn, BLZ 380 800 55, Stichwort: Kolumbien.

FRANK BAJAK(AP), PEDRO UGARTE (AFP)

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