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Auf dem Gestüt Al-Shaqad haben die Pferde alles, was sie brauchen-und nicht brauchen: Schattenplätze, Swimmingpools und einen Jakuzzi.

© Anne Armbrecht

Ein Königreich für Pferde: „Jeder Katari sollte mindestens einen Falken, ein Kamel und ein Pferd haben“

Klimatisierte Boxen und ein eigener Pool: In Katar sind Vollblutaraber Luxusgut mit wirtschaftlichem Potenzial.

Für Mohammed Abdelkader al Raday ist die Sache klar. „Jeder Katari sollte mindestens einen Falken, ein Kamel und ein Pferd haben.“ Er selbst habe jeweils drei. Das Pferd, ein Vollblut natürlich, sei ihm das Liebste auf der Welt, sagt er. Im reichsten Land der Welt werden solche Extravaganzen zu Selbstverständlichkeiten. Er hat das Glück, einer von 300.000 Kataris im Emirat zu sein. Nur jeder Neunte hat in Katar auch die Staatsbürgerschaft, die übrigen Einwohner kommen meist aus Indien, Pakistan oder Nepal.

Neben dem Geld, das sie in Doha gern so exzessiv zur Schau stellen, erzählt Mohammeds eher beiläufig wirkende Bemerkung aber auch etwas über Kultur und Traditionen. Pferde haben einen hohen Stellenwert. Auch wenn sich Katar sonst mit seinen Nachbarn nicht grün ist, sind sie sich zumindest darin auf der arabischen Halbinsel einig. Und am besten kann man diesen Stellenwert begreifen, wenn man sich das Al-Shaqab-Gestüt im Nordwesten Dohas ansieht.

Mohammed ist 26. Er trägt das traditionell katarische Gewand, die weiße, knöchellange Dischdascha, mit Kopftuch und schwarzen geflochtenen Quasten. Fast zwei Stunden nimmt er sich Zeit für die Führung über die Anlage. Das reicht selbst mit Golfkart nur für den ungefähren Überblick. Auf dem hundert Hektar großen Gelände haben sie sich ganz der Zucht und Ausbildung der besten Araber-Pferde der Welt verschrieben. Hier wird verfeinert, was anderswo zur Verfeinerung eingesetzt wird.

150 Fohlen jedes Jahr

Vollblutaraber gelten als die älteste und edelste Rasse unter den Pferden. Schnell und wendig, robust und athletisch, ausdauernd, aber durch den kleinen Kopf, hohen Schweif und die großen Augen auch besonders elegant: All das sind Eigenschaften, die sie an den Tieren hier schätzen. „Außerdem haben sie einen guten Charakter. Sie sind besonders gutmütig“, erklärt Mohammed. Zum Beweis führt er die graue Stute Aedah heran. Streicheln ist bei aller Vorsicht und Sicherheitskontrollen auf dem Gelände auch für Fremde erlaubt.

Um die 150 Fohlen haben sie hier jedes Jahr. Die Zucht der Vollblüter ist in allen Farben erlaubt. Häufig sind es Schimmel. Sie werden auch auf dem Gelände ausgebildet. In Springreiten, Dressur, Show und Distanzreiten, der traditionsreichsten Disziplin. Die Reitschule hat eine lange Warteliste. Auch Kinder ab sechs Jahren können hier schon lernen. Neben der international-arabischen, der ägyptisch-arabischen und der katarischarabischen Blutlinie haben sie auch Ponys auf dem Gelände.

„Jeder Katari sollte mindestens einen Falken, ein Kamel und ein Pferd haben“, sagt Mohammed Abdelkader al Raday
„Jeder Katari sollte mindestens einen Falken, ein Kamel und ein Pferd haben“, sagt Mohammed Abdelkader al Raday

© Anne Armbrecht

Al Shaqab wurde im Jahr 1992 von der Königsfamilie gegründet. Inzwischen gehört das Gestüt der Qatar Foundation. Die Stiftung hat die Education City aus dem Boden gestampft. Als Visionärin gilt die Mutter des jetzigen Emirs, Sheikha Moza Bint Nassar al Missned. Sie will mit der Stiftung Bildung, Technologien und Kultur fördern – und jungen Frauen als Vorbild für eine moderne arabische Welt dienen. Auch ein Dutzend Universitäten und das Museum für Moderne Kunst gehören zu dem Gelände.

Der Name des Gestüts ist eine Referenz an die Geschichte. Auf dem Landstrich Al Shaqab haben die Vorfahren der Al-Thanis 1893 gegen die Osmanen gekämpft. „Es war der Mut unserer Pferde, der uns zum Sieg führte“, behauptet Mohammed. Der Sieg führte zur Unabhängigkeit Katars. Seitdem ist der Platz für die Pferde im Herzen der Kataris offenbar noch größer geworden.

Klimatisierte Boxen, Swimmingpools und Jacuzzi

Wie sonst lässt sich der Luxus erklären? Das Gelände in der Education City im Westen Dohas umfasst neben mehreren Stadien, Trainingshallen und schattigen Reitwegen unter Palmen eine eigene Klinik, ein Hotel und die Unterbringung von 1200 Tieren in Ställen, die mit traditionellen Boxen kaum noch etwas gemein haben. Jedem Pferd stehen 20 Quadratmeter zur Verfügung. Das Heu wird dreimal täglich gewechselt. Auf einer Anzeige außen kann man genau gesehen, wie viel oder wenig es heute getrunken hat. Die Edelstahlgitter sind mit blauen Tageslichtlampen versehen, aufgehübscht mit orientalischen Mustern. Alles natürlich klimatisiert, auch wenn die für die Wüste gemachten Tiere die 45 Grad vor der Tür gut aushalten könnten.

In den Trainingshallen gibt es Pferdelaufbänder und einen Swimmingpool, in dem die Pferde an der Longe ihre Bahnen drehen und die Muskulatur stärken. Das liebste Vorzeigestück ist aber der Jacuzzi: ein Whirlpool etwa, entwickelt für die Pferde. „Da dürfen sie zweimal am Tag rein und entspannen“, sagt Mohammed. Das lockert die Muskeln und hilft bei der Regeneration, vor allem, wenn man noch Salz beigibt, sagt er.

Das Laufband fürs Pferd ist „Made in Germany“
Das Laufband fürs Pferd ist „Made in Germany“

© Anne Armbrecht

Alles ist auf Hochglanz getrimmt. Den Pferdemist in der Halle können aber auch die Kataris nicht verhindern. Selbst wenn ziemlich schnell einer kommt und ihn wegschafft. In Al Shaqab sagen sie, es geht ihnen um die Bewahrung dieses kulturellen Erbes und der Pflege der Leidenschaft. Al Shaqab ist gleichwohl auch Ausdruck der Vision 2030. Bis dahin will Katar sich wirtschaftlich breiter aufstellen und weitgehend unabhängig machen von Gas und Öl, die das Emirat so unermesslich reich gemacht haben.

Auch mit der Pferdezucht lässt sich Geld verdienen. Verdammt viel sogar. Für den Samen von Marwan etwa, dem dreifachen Weltmeister-Zuchthengst, müssen Interessenten 100.000 Riyal (25.000 Euro) hinblättern. „Obwohl er noch recht jung ist, haben seine Töchter und Söhne ihn schon als den einflussreichsten Deckhengst seiner Generation etabliert.“ Über 1000 Fohlen soll er mit seinen 19 Jahren schon gezeugt haben. Vergangenes Jahr habe ein Schweizer den Braunen kaufen wollen. Er hätte umgerechnet 125 Millionen Euro geboten, heißt es. „Wir haben natürlich abgelehnt“, sagt Mohammed. Auf Geld kommt es im Emirat einfach nicht an. „Marwan ist nicht zu verkaufen.“

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