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Panorama: Kälte lässt Triebwerke im Flug vereisen

Piloten gelang es bei München, meisterlich auf einer Wiese notzulanden – extreme Witterung macht Flugverkehr zu schaffen

Mit einer fliegerischen Meisterleistung haben gestern früh die beiden Piloten einer Fokker 70 der Austrian Airlines ihre Maschine auf einer Wiese bei München notgelandet. Zuvor waren beide Triebwerke offenbar durch extreme Vereisung ausgefallen. Die 28 Passagiere und vier Besatzungsmitglieder kamen nach dramatischen Minuten mit dem Schrecken davon, nur drei Personen zogen sich leichtere Verletzungen zu. „Die Kollegen haben eine professionelle Leistung geboten", sagte der Vizepräsident der österreichischen Pilotenvereinigung ACA, Christoph Mair, dem Tagesspiegel.

Flug OS 111 war kurz vor 7 Uhr in Wien gestartet. Um 8 Uhr 6, als sich die Maschine rund zehn Kilometer östlich des Münchner Stadtrandes befand, meldeten die Piloten Triebwerksprobleme und erklärten einen Notfall. Sechs Minuten später berichteten sie von schwerer Vereisung der Triebwerke, so Martin Köppl von der Deutschen Flugsicherung. Die Crew versuchte bei starkem Schneefall noch einen Anflug auf die südliche Landebahn des Münchner Flughafens, doch der zweistrahlige Jet verlor zu schnell an Höhe. Um 8 Uhr 17 landete die 31 Meter lange Fokker rund viereinhalb Kilometer östlich des Airports auf einer schneebedeckten Wiese bei Reisen im Landkreis Erding. Dabei knickte das Fahrwerk ab, und das Flugzeug rutschte auf dem Rumpf weiter.

Passagiere und Besatzungsmitglieder konnten das Flugzeug selbstständig verlassen und wurden von den Einsatzkräften zum Flughafen gefahren. Dort wurden sie mit den wartenden Angehörigen zusammengebracht und psychologisch betreut. Technische Mängel an der acht Jahre alten Maschine, die zuletzt am 23. Dezember gründlich gewartet wurde, gelten als unwahrscheinlich. Experten der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung haben die Ermittlungen aufgenommen.

Christoph Mair spricht von „extremen Witterungsbedingungen". Zwar werden die Triebwerkseinläufe durch Heißluft vor Vereisung geschützt. Doch kann sich bei ungünstigen Bedingungen so viel Eis bilden, dass Brocken in die Triebwerke gelangen und diese beschädigen können. Deshalb sollen solche Vereisungsbereiche umflogen werden. „Doch wo sie sind, weiß man erst, wenn einer hineingeraten ist", sagte Mair. Auch eine nachfolgende Lufthansa-Maschine habe Vereisungsprobleme gemeldet. Die Südbahn des Münchner Flughafens wurde nach dem Unfall bis 10 Uhr geschlossen. Weil die Nordbahn immer wieder zur Schneeräumung gesperrt werden musste, kam es zu erheblichen Flugverspätungen. Sechs Maschinen mussten umgeleitet werden.

Berlin hätte Katastrophe gedroht

Passagiere und Besatzung des Fluges OS 111 hatten Glück im Unglück, weil der 1992 eröffnete, neue Münchner Flughafen weit außerhalb der Stadt liegt und deshalb ausreichend Freiflächen für eine Notlandung zur Verfügung standen. In Berlin hätte ein derartiger, extrem seltener Ausfall aller Triebwerke eines Flugzeugs kurz vor der Landung schnell zu einer Katastrophe führen können. Im Anflug auf Tegel oder Tempelhof hätte sich die Maschine viereinhalb Kilometer vor der Landebahn bereits über dem dicht besiedelten Stadtgebiet befunden, wo sich den Piloten kaum eine ausreichende Freifläche für eine sichere Notlandung geboten hätte. Auch aus diesem Grund ist eine Konzentration des Berliner Luftverkehrs auf den zumindest am Stadtrand gelegenen Flughafen Schönefeld geplant, wo bis 2011 der neue Airport Berlin Brandenburg International (BBI) entstehen soll.

Rainer W. During

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