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Panorama: Kann denn Bürgen Liebe sein?

Viele Frauen ruinieren sich, wenn sie für den Mann finanziell einstehen – ein neues Urteil will das verhindern

Berlin (fk/dpa). Vor elf Jahren leistete Ramona aus Sachsen eine Unterschrift, die ihr Leben verändern sollte. Damit ihr damaliger Ehemann eine berufliche Existenz gründen konnte, unterschrieb sie eine Bankbürgschaft über 100 000 Mark. Ihre einzige Sicherheit war ihr Monatsgehalt von 1400 Mark. Ihr Mann scheiterte beruflich, die Ehe anschließend auch. Die damals 30Jährige blieb mit zwei kleinen Kindern ohne Unterhalt auf dem Schuldenberg zurück.

Häufig werden Frauen nicht über die mit einer Bürgschaft verbundenen Risiken aufgeklärt, sagt Anette Schmedt, Projektleiterin der Initiative für bürgschaftsgeschädigte Frauen (IBF) in Berlin. Viele machten sich nicht bewusst, dass sie im Fall des Falles von den Banken verfolgt werden. Die Frauen betrachteten ihre Unterschrift vielmehr als Liebesbeweis. In den meisten Fällen ist der Partner arbeitslos und will sich selbstständig machen, was ohne Kredit meist nicht geht. Zur Sicherheit verlangt die Bank dann die Unterschrift der Partnerin, um zu verhindern, dass der Mann der Ehefrau sein Vermögen überträgt und im Falle der Pleite als „armer Schlucker“ mit reicher Partnerin lebt.

„Das ist eine emotionale Geschichte, Intelligenz und Bildung schützen nicht“, erläutert Schmedt. Die Frauen glaubten an den jeweiligen Partner und seien davon überzeugt, dass schon alles gut gehen wird. „Mehr als 60 Prozent haben einen eigenen Job, darunter sind vermögende Akademikerinnen und auffällig viele Ärztinnen, Beamtinnen und sogar Bankangestellte.“ Später würden die meisten aus Scham schweigen. Entzieht sich der Mann seinen finanziellen Verpflichtungen, stehen die Frauen vor dem Schuldenberg.

Opfer sind nicht nur Ehefrauen. Auch unverheiratete Frauen leisten oftmals eine Bürgschaft für den Freund. Ist es für die Gläubiger schwierig, an den Mann ranzukommen, halten sie sich an die Frau, wenn ihr Gehalt oder ihr Vermögen leichter pfändbar ist.

Das Berliner Kammergericht hat in einer jetzt veröffentlichten Entscheidung die Rechte der Bürginnen unterstützt. Für die Forderung einer Bank sah das Kammergericht keine Rechtsgrundlage, da der mit der Ehefrau geschlossene Bürgschaftsvertrag sittenwidrig und damit nichtig sei. Die Frau habe aus rein emotionaler Bindung die Bürgschaft übernommen (Az.: 4 U 124/01).

2300 Frauen aus ganz Deutschland suchten in den vergangenen drei Jahren bei der Initiative in Berlin Hilfe.

Auch die deutschen Gerichte mussten sich mit der Problematik schon häufig beschäftigen, denn ob ein Vertrag sittenwidrig und damit nichtig ist, muss in jedem Einzelfall neu entschieden werden. Ist die Bürgin finanziell stark überfordert oder hat sie ihre Unterschrift in einer Zwangslage geleistet, kann das der Fall sein – muss aber nicht. Es kann zum Beispiel auch sein, dass die Ehefrau nicht sofort aus der Bürgschaft in Anspruch genommen werden kann, sondern erst, wenn sie Vermögen erlangt. Das bedeutet: Erbt die Frau, schlägt die Bank sofort zu. Daraus folgt: Die aus Liebe geleistete Unterschrift kann für den Rest des Lebens zu einer Belastung werden. Denn die Verpflichtung des Bürgen gilt weiter, auch wenn die Liebe längst erloschen ist. So ist die beste Lösung: keine Bürgschaft leisten und den Partner auch nicht darum bitten.

Initiative für bürgschaftsgeschädigte Frauen (IBF): Tel.: 030/25 79 81 98.

www.schuldnerberatung.de .

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