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Halleneinsturz: Keine Ruhe in Reichenhall

Das Urteil im Prozess um den Einsturz der Eishalle ist gesprochen, es gibt eine Bewährungsstrafe für den Konstrukteur – das ist wohl nicht das letzte Wort.

Immer noch gibt es diese Gedenkwand in Bad Reichenhall. Sie steht in der Nähe jenes Brachlands, wo einmal die Eissporthalle war, deren Dach am 2. Januar 2006 am späten Nachmittag einstürzte: fünfzehn Kreuze, fünfzehn Kränze sind das. Vor knapp drei Jahren fanden drei Mütter und zwölf Jugendliche und Kinder nebenan den Tod. Demnächst wird das Provisorium an diesem Ort zur offiziellen Gedenkstätte werden, wie die Stadt Bad Reichenhall bereits vor dem Urteil des Traunsteiner Gerichts verfügt hat. Auf diesem Weg bekommt die Katastrophe von damals, die Bad Reichenhall und seine Bürger bis heute nicht loslässt, zumindest einen würdigen Rahmen. Fassbarer jedoch werden die Geschehnisse vom 2. Januar 2006 dadurch nicht werden. Und auch das gestrige Urteil gegen einen der Konstrukteure der 1973 erbauten Halle bringt den Versuch der Vergangenheitsbewältigung im Kern nicht weiter. Anderthalb Jahre Bewährungsstrafe verhängte das Gericht gegen einen der damals an der Planung Beteiligten. Zwei andere Angeklagte, der Architekt und der Gutachter, wurden freigesprochen. Wenn es nach Robert Schromm gegangen wäre, hätte man die drei (ein weiterer Beschuldigter wurde aus gesundheitlichen Gründen verschont, er starb, 74-jährig, während des Prozesses) ohnehin nicht anklagen müssen. Robert Schromm hatte vor knapp drei Jahren beim Einsturz der Eissporthalle seine Frau verloren und zeigte sich hernach stets davon überzeugt, dass die Falschen vor Gericht saßen: „Schicken sie diese Angeklagten nach Hause“, appellierte er deshalb während der Verhandlung. Schromm sah die Gefahr, dass nach einer wie auch immer aussehenden Verurteilung die Akten geschlossen würden, während er die wirklich Verantwortlichen für die Katastrophe innerhalb der Stadtverwaltung wähnte. Namentlich dem ehemaligen Oberbürgermeister Wolfgang Heitmeier war direkt nach dem Einsturz und im Vorfeld des Prozesses viel Misstrauen entgegengebracht worden.

Ein Ermittlungsverfahren gegen Heitmeier leitete das Gericht indes nicht ein – „mangels Hinweisen auf strafbare Versäumnisse“. 30 Jahre nach dem Bau, also 2003, war die Dachkonstruktion auf Veranlassung der Stadt wegen sichtbarer Wasserflecken untersucht worden. Das zuständige Büro bescheinigte der Konstruktion einen „allgemein guten Zustand“. Der Gutachter wurde jetzt, eher überraschend, entlastet. Man hatte, wie sich vor Gericht herausstellte, kein Sicherheitsgutachten von ihm gewollt, sondern seitens der Stadt lediglich eine Kostenschätzung für die angestrebte Gebäudesanierung in Auftrag gegeben.

Verurteilt hat das Traunsteiner Gericht den Konstrukteur von 1973, weil er erstens die Statik falsch berechnet habe. Zudem habe der Angeklagte bei der Planung die zulässige Höhe der Dachbalken um ein Vielfaches überschritten, drittens seien die Holzträger unzureichend verleimt gewesen. Die beiden anderen Angeklagten, sagte der Vorsitzende Richter, seien „nicht ursächlich verantwortlich“ zu machen. Der Prozess hatte nach langwierigen Voruntersuchungen erst im Januar dieses Jahres beginnen können. Einige der ursprünglich am Bau Beteiligten waren bereits verstorben. Die Staatsanwaltschaft hatte die drei Hauptangeklagten für schuldig erklärt und für alle Bewährungsstrafen bis zu anderthalb Jahren beziehungsweise eine Geldbuße von 54 000 Euro gefordert. Die Verteidiger plädierten indes auf Freispruch. Sie stützen sich auf eine von Anfang an vorgebrachte Argumentation, nach der sich die drei Männer nicht der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht hätten. Vielmehr seien die wirklich Verantwortlichen im Reichenhaller Rathaus zu suchen. Nebenkläger sprachen wiederholt von „Misswirtschaft und Schlamperei“ der Stadt, von deren Seite aus das nachfolgende Eishockeytraining am Tag der Katastrophe zwar abgesagt wurde. Den Publikumslauf vorher hatte hingegen keiner abbrechen wollen.

Robert Schromm sprach nach der Urteilsverkündung von „einem großen Sieg“, weil die Strategie der Stadt Bad Reichenhall, Schuld abzuwälzen, versagt habe. Der Verteidiger des Konstrukteurs kündigte an, Revision beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe einzulegen. Auch die Staatsanwaltschaft prüft, ob sie eine weitere Instanz einschalten will.

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