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Panorama: Kultur der Trägheit

Kompetenzgerangel verzögert den Bau des Freedom Tower auf Ground Zero

Der dunkelgrüne Granitblock liegt groß und schwer mitten in der Baustelle. Am 4. Juli vergangenen Jahres wurde mit viel Brimborium der Grundstein für den Freedom Tower an Ground Zero im Herzen Manhattans gelegt. Eigentlich sollte das Gebäude längst in die Höhe wachsen, damit es 2008 eingeweiht werden kann. Doch noch ist nicht einmal der Stahl bestellt. Stattdessen müssen die Architekten zurück an die Zeichencomputer, weil der New Yorker Polizeichef plötzlich Sicherheitsbedenken hat. Außerdem streiten sich Lokalpolitiker mit dem Geldgeber, die Architekten mit der Entwicklungsgesellschaft, Mieter und Bauherren springen ab – und der Planungschef nimmt Ende des Monats seinen Hut.

Damit das Chaos nicht siegt, berief Gouverneur George Pataki Mitte der Woche eine Krisensitzung mit New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg und Larry Silverstein, dem Pächter und Hauptgeldgeber des Projektes, ein. Danach sprach er ein Machtwort: „Das Ergebnis der Sitzung war ein neues Bekenntnis für die Realisierung des Turmes als ein kraftvolles Symbol für den Wiederaufbau. Wir haben eine Verpflichtung, weiterzumachen.“ Tags darauf war in den Zeitungen zu lesen, dass sich der Gouverneur stur stellt: Der höchste Wolkenkratzer der Welt dürfe trotz der Sicherheitsbedenken nicht zu einem hässlichen Bunker verkommen. Und er soll an jener Stelle stehen bleiben, wo er von Anfang an geplant war. In der Nordwestecke jenes Platzes also, wo bis zum 11. September 2001 die Zwillingstürme des World Trade Center standen.

Die Bedenken, die der New Yorker Polizeichef in der vergangenen Woche äußerte, sind nur die Krönung einer ganzen Serie schlechter Nachrichten: Neben dem Dauerstreit zwischen dem machtlosen Masterplaner Daniel Libeskind und Silversteins Vertrauensmann David Childs schockte die Macher vor allem der Rückzug des Investmenthauses Goldman Sachs. Ursprünglich wollte die Bank ihren Hauptsitz für zwei Milliarden Dollar schräg gegenüber des Towers bauen, dann führte auch sie jedoch Sicherheitsbedenken für ihre Absage an. Kurz darauf legten auch die Investmentbanker von Morgan Stanley und der Medienkonzern Newsweek ihre Umzugspläne nach Lower Manhattan auf Eis. Immobilienexperten unken, dass am Ground Zero bald eine ganze Reihe leerer Bürotürme stehen werde.

Wenn es nach dem Polizeichef geht, stehen sie auch nicht dort, wo sie geplant sind. Seine Sicherheitsexperten bemängeln, dass der Freedom Tower etwa acht Meter neben der Straße stehen soll und vor einem Angriff mit einem mit Sprengstoff gefüllten Lastwagen nicht zu schützen sei. Warum die Polizei darauf erst jetzt kommt, da die Planungen schon drei Jahre laufen, blieb offen.

Geändert werden müssen die Pläne auf jeden Fall – die Frage ist nur, wie weit. Verzögerungen von drei Monaten bis zu einem Jahr gelten als wahrscheinlich.

Offen ist auch, wer die Mehrkosten von mehreren Millionen Dollar trägt: Silverstein, der 4,6 Milliarden Dollar für die zerstörten Zwillingstürme von Versicherungen kassierte, startete einen Versuch, sich das Geld aus der Kasse von Stadt und Bundesstaat wiederzuholen. Das rief prompt den wütenden Protest von Pataki und Bloomberg hervor, die Silverstein drohten, ihm seinen über 99 Jahre laufenden Pachtvertrag zu entziehen.

Als ob das alles nicht genug Ärger wäre, droht mittlerweile auch Washington, zugesagte Gelder wieder zu entziehen: „Die Umstrukturierung von Downtown Manhattan ist von einer Kultur der Trägheit befallen“, befand der demokratische Senator Charles Schumer und kündigte an, er werde sich für die Umleitung von zwei Milliarden Dollar einsetzen, falls die Zeitpläne nicht eingehalten würden.

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