Panorama: Küstenschutz auf die weiche Art
WESTERLAND .Kürzlich besuchte der schleswig-holsteinische Minister für Landwirtschaft und Küstenschutz, Klaus Buß (SPD), die Nordseeinsel Sylt.
WESTERLAND .Kürzlich besuchte der schleswig-holsteinische Minister für Landwirtschaft und Küstenschutz, Klaus Buß (SPD), die Nordseeinsel Sylt.Ein scharfer Wind wehte über das Eiland und trieb Buß die Tränen in die Augen, als er von den Dünen hinunter schaute auf die anrollenden Brecher der Nordsee."Das finde ich gut, daß Sie hier am Strand in Tränern ausbrechen", soll der Sylter Amtsvorsteher Heinz Maurus (CDU) laut Zeugenaussagen gefrotzelt haben."Das tun Sie doch schon von Berufs wegen", keilte der Minister zurück.Alle paar Jahre wieder erklingt lautes Wehgeschrei der Insulaner, bei dem Zuhörer den Eindruck gewinnen können, den Küstenmenschen stehe das Wasser tatsächlich schon bis zum Halse.Soweit ist es indes noch lange nicht.Unbestritten allerdings ist, daß die Nordsee stetig an der Insel nagt, die direkt an das tiefe Wasser grenzt und nicht, wie etwa die nordfriesische Nachbarinsel Amrum, durch vorgelagerte Sandbänke geschützt wird.Bei Herbst-, Winter- und Frühjahrstürmen holte die See in der Vergangenheit regelmäßig ein Stück der 34 Kilometer langen Westküste.Rund eineinhalb Meter waren es durchschnittlich pro Jahr.Wie ein Flitzebogen sieht Sylt schon lange aus, doch der Bogen ist im Lauf der Jahre immer dünner geworden und manch vorwitzig nahe an die Steilküste oder in die Dünen gebautes Gebäude hat die See schon verschluckt.
Vor einigen Jahren brach im Süden die Dünenkette.Da ist es verständlich, daß die Bewohner um ihre Insel fürchten - und um ihre guten Geschäfte, die sie Jahr für Jahr mit einer kaum noch zu bewältigenden Zahl von Urlaubern und Wochenendtouristen machen.Früher setzten die Sylter vor allem auf Beton.Tetrapoden, Buhnen und steinerne Deckwerke sollten Strand, Dünen und Kliffs schützen, konnten den ständigen Substanzverlust aber nicht verhindern.1972 begannen die Verantwortlichen, Sand anzuspülen, um den Abbruch der Randdünen und die Unterspülung der festen Küstenschutzwerke zu verhindern.Doch obwohl längst feststand, daß die Insel nicht als steinerne Festung ausgebaut werden konnte und die Sandaufspülungen die weitaus beste Art der Inselverteidigung ist, gab es auf Sylt immer noch Betonköpfe, die weiter nach neuen festen Sperrwerken riefen.
Doch dann fegten in dem stürmischen Winter 1989/90 gleich fünf Orkane über die Nordseeküste und ramponierten die Insel erheblich.Besonders schwer getroffen war der Süden.Von der bisher neunzig Meter langen Dünenkette blieb nur noch ein kläglicher Rest übrig.Inzwischen haben Experten und Insulaner dem Schutz durch Sand absoluten Vorrang eingeräumt.Der Sand bleibt jedoch nicht ewig liegen, wird im Laufe der Jahre durch die Fluten immer wieder weggeschwemmt und muß deshalb nach einer gewissen Zeit erneuert werden.Darum ging es auch beim jüngsten Besuch des Kieler Landwirtschaftsministers auf Sylt.Klaus Buß wollte sich selbst ein Bild von den Sandverlusten machen.Sein Ministerium hat für dieses Jahr fast zehn Millionen Mark für die neuen Aufspülungen bereit gestellt.Für das Geld soll im Süden vor Hörnum auf 3,5 Kilometern Länge und vor List im Norden auf 1,5 Kilometern Länge neuer Sand herbeigeschafft werden.Das ist den Bürgermeistern der Insel viel zu wenig.Hörnums Bürgermeister Hartmut Müller zum Beispiel hätte zum Schutz seiner angenagten Dünenkette gern die doppelte Menge.Von den eine Million Kubikmetern, die 1995 dort hingebracht worden waren, sei so gut wie nichts mehr übrig, klagt Müller.Bereits bei normalem Hochwasser erreiche die Flut den Fuß der Dünen.Für Strandkörbe bleibe kein ausreichender Platz mehr.Doch die zusätzlichen Wünsche lassen sich wohl nicht erfüllen.Die Kassen des Landes sind nämlich leer.
KARSTEN PLOG