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Ausgebrannt. Feuerwehrleute sind am Freitag im Einsatz auf der A 19 bei Kavelstorf in der Nähe von Rostock. Sie suchen nach weiteren Opfern.

© dpa

Panorama: Massenkarambolage durch Sandsturm bei Rostock

Genaue Zahlen über die Todesopfer sind nicht bekannt – der Ackerstaub eines gepflügten Feldes nahm den Fahrern die Sicht

Rostock - Der Sandsturm wütet noch Stunden nach der Massenkarambolage über die Autobahn zwischen Rostock und Güstrow. Dutzende ausgebrannte und ineinandergeschobene Fahrzeuge haben die Fahrbahn in ein Trümmerfeld verwandelt. Die Feuerwehr löscht noch einige Brände, bevor überhaupt daran zu denken ist, die Toten zu bergen. Die Rettungskräfte versuchen, sich mit Mundschutz und Brillen vor dem feinen Ackerstaub zu schützen, der an der Unfallstelle von den Feldern ungebremst über die vierspurige Straße fegt.

Genaue Zahlen über die Todesopfer sind nicht bekannt. Ersten Zählungen zufolge sind bei dem Unfall am Freitagmittag 60 Menschen verletzt worden, die Hälfte davon musste in Krankenhäusern behandelt werden. Die anderen stehen mit ihren Identitätskarten um den Hals verwirrt, hilflos in der Parkbucht nur wenige hundert Meter vom Unfallort entfernt. „Sie sind völlig geschockt, alle ihre Sachen, Geld, Gepäck sind noch im Auto“, sagt Evelyn Ruß-Deutschle. Sie hatte auf dem Weg von der Arbeit vom Unfall gehört und mit ihrer intensivmedizinischen Ausbildung ihre Hilfe angeboten. „Vorhin lief ein Mann weinend umher und suchte seine Familie, ich weiß gar nicht, ob man ihm helfen konnte“, sagte die Frau, bevor sie sich einem älteren Ehepaar widmet, das zitternd und bleich mit Decken um den Schultern vor einem Rettungszelt steht.

In Sekundenschnelle hat der Sand die Autobahn verhüllt. „Ich hab das schon gesehen, als ich vom Berg runter bin“, sagt Brummifahrer Ralf Schulz. „Dann hat der erste wohl abgebremst und mehrere Autos sind hinten rauf. Manche haben sich überschlagen.“ Schulz kam gerade noch zum Stehen. Ein Kollege vor ihm jedoch nicht, sein Kieslaster kippte um und brannte aus. Er sitzt jetzt bei Schulz und dessen Hund Charlie in der Fahrerkabine und kann kaum sprechen. „Wir haben noch eine Frau aus einem brennenden Auto gezogen, die hat geschrien. Die anderen Leute sind aus ihren Autos gelaufen und haben sich auf den Mittelstreifen gerettet“, sagt Schulz. Die Autos sind mit einer solchen Wucht ineinandergekracht, dass einige bis 50 Meter entfernt von der Fahrbahn auf dem Feld liegen. An dieser Stelle der Autobahn ist die Geschwindigkeit freigegeben. „Man hat den Sand aber kommen sehen, man hätte bremsen können“, sagt Schulz. Darüber mag Autobahnpolizist Norbert Holldorf nicht spekulieren. Seit 20 Jahren begleiten ihn Unfälle. „So was hier hab ich aber noch nie erlebt.“ Rettungspilot Roland Pawel sucht Schutz vor dem Sand hinter seinem Hubschrauber. Für die noch in den Autos sitzenden Insassen komme jede Hilfe zu spät, hier sei der Leichenwagen, nicht mehr der Rettungshubschrauber gefragt.

Die schnelle Hilfe von allen Seiten lobt der Einsatzleiter der Rettungsdienste, Christian Hartmann. Sieben Rettungshubschrauber seien schnell am Ort gewesen, die Krankenhäuser in ganz Mecklenburg bis nach Lübeck hätten Hilfe angeboten. Zwei Stunden nach der Karambolage seien alle Verletzten geborgen und medizinisch versorgt worden. Die Leichtverletzten würden mit Bussen nach Güstrow und Rostock gebracht. „Das war mein erstes Mal, in dieser Größe hoffentlich auch mein letztes“, sagt der 29-Jährige erschöpft, während er versucht, sich mit dem Handrücken das sandverschmierte Gesicht sauber zu wischen. dapd

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