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Mikolaj Kopernik: Im Namen der polnischen Ehre

Warschau streitet mit der EU in Sachen Kopernikus: Der berühmte Astronom ist Namenspate für das neue europäische System zur Erdüberwachung.

Warschau - Polen ist ein unterschätztes Land. Was kaum einer weiß: Manch ein berühmter Franzose ist eigentlich ein berühmter Pole. Allen voran Frédéric Chopin, der als Fryderyk Franciszek Szopen in der Nähe von Warschau geboren wurde. Dann natürlich die zweifache Nobelpreisträgerin Maria Sklodowska, die als Marie Curie in die Geschichtsbücher eingegangen ist. Und nur Eingeweihte wissen, dass ein Pole die Türken 1683 vor Wien zurückgeschlagen und damit Europa gerettet hat. Der Mann hieß übrigens Jan III. Sobieski und war König des Landes an der Weichsel.

Zähneknirschend haben sich die meisten Polen daran gewöhnt, dass ihnen ihre Helden im Laufe der Jahrhunderte hinterrücks entwendet wurden. Doch nun geht ein Aufschrei der Empörung durch die polnische Wissenschaftswelt. Jüngst präsentierte nämlich der deutsche Vizepräsident der EU-Kommission Günter Verheugen das neue europäische System zur Erdüberwachung. „Kopernikus“ werde es heißen, so der Politiker stolz. „Kopernikus“ – in der deutschen Schreibweise. Das war den polnischen Patrioten dann doch zuviel.

Soll Mikolaj Kopernik, im polnischen Torun geboren und einer der größten Astronomen der Menschheit, in Zukunft als Deutscher gelten? Kampflos wollte man dieses Terrain nicht räumen. An die Spitze der Protestbewegung stellte sich Adam Bielan, Abgeordneter im Europaparlament. Der Politiker der national-konservativen Partei Recht und Gerechtigkeit schickte in höchster Eile und Erregung eine Eingabe an die EU-Kommission. Darin forderte er Aufklärung darüber, ob die Vergabe des Namens „Kopernikus“ ein Fall deutschen Geschichtsrevisionismus sei.

Verheugen versuchte die Wogen natürlich zu glätten. Ein Freund der Polen sei er, versicherte der Politiker postwendend, und er habe den „großen Europäer“ Kopernikus nie als Deutschen bezeichnet. Doch konnte es sich Verheugen nicht verkneifen anzufügen, dass der Astronom 1473 als Sohn deutscher Eltern in Torun geboren wurde, das damals zu Preußen gehört habe. „Wieder falsch!“, schlug es ihm aus Warschau entgegen. Torun war 19 Jahre zuvor in den Machtbereich Polens eingegliedert worden. Das heißt: Mikolaj Kopernik ist zweifelsfrei Pole.

Doch die polnischen Wissenschaftler waren nicht auf Krawall aus, also machten sie einen Vorschlag zur gütlichen Einigung. Man solle doch die lateinische Form des Namens für das EU-Programm nehmen: „Copernicus“. Verheugen nahm diesen Ball resigniert-diplomatisch auf. Der deutsche Schreibweise „Kopernikus“ sei zwar der eingetragene Name der Firma, unter der das EU-Projekt läuft. Aber wenn es einen Polen glücklich mache, ließ der deutsche Politiker wissen, dürfe der das Programm auch „Copernicus“ nennen. Knut Krohn

Knut Krohn

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