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Wischt sich eine Träne aus dem Gesicht. Conrad Murray im Gerichtssaal. Jede seiner Regungen wird im Fernsehen übertragen. Foto: Reuters

© REUTERS

Panorama: Mit Drogen vollgepumpt

Zu Beginn des Prozesses gegen Michael Jacksons Arzt Conrad Murray schockiert die Staatsanwaltschaft mit Fotos und Tonaufnahmen

Ein stark abgemagerter Conrad Murray sitzt neben seinem Anwalt und kritzelt nervös Notizen in seinen Block, während Staatsanwalt David Walgren schon am ersten Tag der Verhandlung gegen den einstigen Leibarzt von Michael Jackson ganz schwere Geschütze auffährt. Der Arzt muss sich wegen fahrlässiger Tötung verantworten. Ankläger Walgren zieht in rund 75 Minuten alle Register der Anklagekunst. Nicht nur lässt der Staatsanwalt eine Tonbandaufzeichnung abspielen, auf der ein völlig desolater und leiernd sprechender Michael Jackson zu hören ist, der offensichtlich zu dem Zeitpunkt mit Drogen vollgepumpt war, auch schreckt Walgren nicht davor zurück, erstmals ein Foto vom toten King of Pop auf seinem Krankenbett im UCLA Medical Center zu zeigen. Auf dem Foto trägt Jackson einen weißen Krankenhausumhang, unter der Nase hat er ein Pflaster. Der Kopf ist leicht nach hinten gebeugt, die Augen sind geschlossen. Die Hände liegen an der Seite. Ein zeitgeschichtliches Dokument. Walgren sagt über das Bild: „Nur zwölf Stunden zuvor tanzte Jackson noch auf der Bühne.“

Besonders bewegend im voll besetzten Gerichtssaal in Downtown Los Angeles ist das Abspielen der Tonaufnahme. Darin leiert ein völlig weggetretener Jackson im Gespräch mit Murray in Bezug auf seine bevorstehende „This is It“-Tour: „Wir wollen phänomenal sein. Wenn die Leute die Show verlassen, dann sollen sie sagen, dass sie so etwas noch nie zuvor im Leben gesehen haben. Geht dahin, geht dahin. Es ist wunderbar. Er ist der größte Entertainer der Welt.“ Immer wieder unterbricht Jackson seine kurze Rede, immer wieder scheint er abbrechen zu wollen. Der Staatsanwalt hämmert in seiner Erföffnungsrede auf die zwölf Geschworenen ein. Er will durch detaillierte Aufzeichnungen deutlich machen, dass Murray die alleinige Schuld am Tod von Michael Jackson trägt. Murray sitzt während der gesamten Zeit mit versteinerter Miene auf seinem Stuhl. Ab und zu greift er zum Stift, macht erneut eine kleine Notiz. Vereinzelt lehnt er sich zu einem seiner Anwälte. Nur einmal zeigt er eine emotionale Regung. Als sein Anwalt Ed Chernoff von der ersten Begegnung zwischen Jackson und Murray berichtet, rollt Murray eine Träne die Wange herunter.

Die Verhandlung wird live im US-Fernsehen und im Internet übertragen. Gleich vier lokale TV-Sender in Los Angeles übertragen die Anhörung live – ohne Werbeunterbrechung. „Das erinnert an OJ Simpson“, sagt Bob Straus, Entertainment-Reporter der „LA Daily News“.

Murray soll nach Aussagen der Staatsanwaltschaft mehrfach gelogen haben. Kurz nachdem Jackson den Arzt im Frühjahr 2009 für 150 000 Dollar Gage im Monat angeheuert hatte, schloss Murray seine private Klinik in Las Vegas. Danach ließ der Arzt 15 Liter von dem Narkosemittel Propofol an seine angebliche Praxis in Santa Monica liefern. Murray hat aber keine Praxis in Santa Monica. Tatsächlich gehen die Propofol-Ladungen an die Privatanschrift von Murrays Freundin Nicole Alvarez. Propofol ist von entscheidender Bedeutung. Die Einnahme habe zu einer akuten Vergiftung und zum Herzversagen geführt. Der Prozess muss nun zeigen, ob Murray fahrlässig gehandelt hatte. Ihm drohen vier Jahre Haft.

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