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Als hätte ein Riese mit der Faust draufgeschlagen: der Frachter „Flaminia“.

© dapd

Giftfrachter "Flaminia": Rettender Hafen Wilhelmshaven

Der havarierte Giftfrachter „Flaminia“ ist nach langer Irrfahrt in Deutschland angekommen und muss nun entladen werden. Dass benachbarte Staaten keine Notaufnahme gewährten, wird Gespräch in EU-Gremien werden.

Wilhelmshaven - Nach der Rückkehr des auf dem Atlantik havarierten Hamburger Containerfrachters „MSC Flaminia“ zeigten sich Bergungsspezialisten und Politiker am Montag erleichtert. Aber mit dem Anlegen im gerade neu gebauten Tiefwasserhafen Jade-Weser-Port Wilhelmshaven ist das Kapitel „Flaminia“ noch lange nicht abgeschlossen. Jetzt muss der teilweise zerstörte 300-Meter-Frachter mit seiner Giftfracht entladen werden, und in Brüssel kommt möglicherweise die EU-Nothafenregelung auf den Prüfstand.

Seit dem Feuer Mitte Juli wird noch immer ein Seemann vermisst. Womöglich liegt er unter den zerstörten Containern. Ein anderes Besatzungsmitglied war schon kurz nach Brandausbruch gestorben, drei weitere wurden verletzt. Ob jemand strafrechtlich für das Unglück verantwortlich ist, wird die Staatsanwaltschaft Hamburg prüfen. Auch die Experten der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung gehen an Bord, um nach der Brandursache zu fahnden. Erst danach, so erklärte am Montag ein Sprecher des deutschen Havariekommandos Cuxhaven, kann der Frachter entladen werden. Millionen Liter verunreinigtes Löschwasser müssen abgepumpt werden, ohne dabei das Weltnaturerbe „Niedersächsisches Wattenmeer“ zu gefährden. Und Stück für Stück müssen alle 2876 Container von Bord, darunter 151 mit Gefahrgut aller Art. Mehrere Wochen kann das dauern, denn das Schiff sieht seit den Explosionen so aus, als hätte ein Riese mit der Faust zugeschlagen.

Damit weder Ermittler noch Bergungskräfte in Gefahr geraten, überwacht der Tüv täglich, ob die Luft rein ist. An Deck kann man sich schon ohne Atemmaske aufhalten, in den Laderäumen noch nicht überall. Aber für die Umwelt gehe derzeit keine akute Gefahr aus, hieß es. Länger als die Bergungsarbeiten könnten sich die politischen Diskussionen hinziehen. Atlantik-Anrainer wie Portugal, Frankreich oder Großbritannien hatten sich geweigert, den teilweise zerstörten Frachter in einem Nothafen aufzunehmen und ihm die Schlepptour durch den viel befahrenen Ärmelkanal Richtung Heimat zu ersparen.

Dabei gilt seit zehn Jahren die EU-Richtlinie 2002/59/EG zur „Einrichtung eines gemeinschaftlichen Überwachungs- und Informationssystems für den Schiffsverkehr“ – eine Reaktion auf den Untergang des Öltankers „Erika“ 1999 vor der Bretagne. Darin heißt es auch, dass „Schiffe in Seenot vorbehaltlich der Genehmigung durch die zuständige Behörde unverzüglich einen Notliegeplatz anlaufen können“. 2009 ergänzte die EU ihre Richtlinie. Demnach ist ein Nothafen zu öffnen, wenn die Behörden dies „als beste Lösung zum Schutz von Menschenleben und Umwelt erachten“.

Auch Niedersachsens Minister für Wirtschaft und Umwelt, Jörg Bode und Stefan Birkner (beide FDP), kritisierten am Montag die mangelnde Hilfe der anderen Staaten. Birkner sprach sogar von „Irrsinn auf See“. Matthias Schmoll vom Bundesverkehrsministerium sagte, der Vorgang werde „Thema in den zuständigen EU-Gremien sein“. Eckhard Stengel

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