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Panorama: Schief soll er auf jeden Fall bleiben

Pisa plant eine umfangreiche Stabilisierung des berühmten Turms auf dem Campo dei MiracoliVON ANDREAS OSWALDWer jedes Jahr nach Pisa fährt, hat manchmal den subjektiven Eindruck, daß der Turm auf dem Campo dei Miracoli noch schiefer ist als beim letzten Mal.Besorgt betrachtet der Besucher die riesigen Gewichte, die sich an der hinteren Seite entlang der Wand auftürmen und fragt sich, ob das die richtige Methode sein kann, den Turm vor dem Umfallen zu bewahren.

Von Andreas Oswald

Pisa plant eine umfangreiche Stabilisierung des berühmten Turms auf dem Campo dei MiracoliVON ANDREAS OSWALDWer jedes Jahr nach Pisa fährt, hat manchmal den subjektiven Eindruck, daß der Turm auf dem Campo dei Miracoli noch schiefer ist als beim letzten Mal.Besorgt betrachtet der Besucher die riesigen Gewichte, die sich an der hinteren Seite entlang der Wand auftürmen und fragt sich, ob das die richtige Methode sein kann, den Turm vor dem Umfallen zu bewahren. Was die Tüftel-Phantasie des Laien ebenfalls anregt, sind die vielen gutgemeinten Vorschläge von selbsternannten Experten, die von sich behaupten, die einzig wahre Methode gefunden zu haben, das Gebäude zu retten.Diese meist unnützen Vorschläge werden regelmäßig von der Stadtverwaltung publiziert, um das weltweite Besucherinteresse wachzuhalten. So hat es einige Überraschung ausgelöst, daß die Stadt vor zwei Tagen ihr "Okay" zu dem jüngsten Konzept gegeben hat.Die häßlichen Gewichte an der hinteren, nördlichen Seite werden abgetragen.Dafür ist eine komplizierte Konstruktion geplant, die den Turm stabilisieren soll. Geplant ist Presseberichten zufolge ein Stahlgürtel rund um den Turm auf der Höhe etwa des dritten Stockwerks.Von dort werden zwei Stahlseile gespannt, die von Plastik umhüllt sind und die über das Dach eines nahestehenden Gebäudes zu einer Konstruktion führen, an der schwere Gewichte die Neigung etwas reduzieren und das Gebäude stabilisieren sollen. Derzeit hat der Turm eine Neigung von fünfeinhalb Grad.Sie soll um ein halbes Grad reduziert werden. Zudem soll der Turm ein vernünftiges Betonfundament bekommen.Als der Architekt Bonanno Pisano das Projekt 1173 in den Sand setzte, sah er nur einen drei Meter hohen Steinsockel vor - viel zu wenig für den losen Untergrund, der überwiegend aus Schwemmsand besteht.An dem Betonfundament sollen zehn Stahlseile tief nach unten in festeren Untergrund führen und dort mit Gewichten das ganze Gebäude langfristig stabilisieren. Auf keinen Fall soll der Turm wieder aufgerichtet werden.Da sei die Tourismusindustrie vor! Außerdem wäre er dann immer noch schief.Als beim Bau das dritte Stockwerk aufgesetzt wurde, konnte nicht mehr geleugnet werden, daß das Gebäude sich neigt.Also versuchte man nach einer Bau-Unterbrechung, die Neigung etwas auszugleichen und baute "gerader" weiter, weshalb der Bau auch in sich etwas schief ist. Die Stadt will nicht ausschließen, daß in fernerer Zeit Besucher den Turm wieder besteigen dürfen. Das neue Konzept ist nicht unumstritten.Die Würde des Gebäudes werde durch die häßliche Hilfskonstruktion verletzt, heißt es.Bisher habe sich der Turm tapfer gehalten und werde das auch weiter tun, sagen andere.Er sei immerhin stabiler als die italienischen Regierungen, wird in der Presse polemisiert. In der Tat könnte es sein, daß der Turm an Faszination verliert, wenn er mit einem Stahlkorsett gebrechlich wirkt. Daß die Stadt die Neigung des Turms als Touristenmagnet gutheißt, ist übrigens eine jüngere Entwicklung.Einst waren die Pisaner ziemlich sauer auf den Pfusch am Bau.Alle anderen schönen Städte hatten schöne gerade Campanile, nur in Pisa war der Bau nach damaliger Meinung gründlich schiefgegangen.

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