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Panorama: Schön melancholisch

Daliah Lavi verabschiedet sich von ihren Fans – mit einer Tour durch Deutschland und fünf neuen Songs

Berlin - Das Erste, was auffällt, wenn man sich mit Daliah Lavi unterhält, ist ihr Lachen. Sie ist in aufgekratzter Stimmung, jeden dritten oder vierten Satz beendet sie mit einem übermütigem Kichern. „Seitdem ich älter werde, sehe ich viele Sachen mit etwas mehr Humor“, sagt sie. Daliah Lavi ist jetzt 68, und es geht ihr offenbar prächtig.

In den siebziger Jahren, der Zeit ihrer großen Erfolge, war die Sängerin stets von einem Hauch Melancholie umweht. Mit ihren knöchellangen Folklorekleidern, rotbraun wallenden Haaren und den großen schwarzen Augen verkörperte sie das Gegenmodell zum Frohsinn des deutschen Schlagers. Ihre Hits hießen „Oh, wann kommst du?“, „Willst du mit mir geh’n?“ oder „Es ist spät, zu spät für uns“, mit rauchigem Timbre beschwor Lavi da die Euphorie, aber auch die Kompliziertheit der Liebe. Auf keinem ihrer Schallplattencover sah man sie lächeln. „Ich war sehr erfolgreich, mein Leben klang wie ein Märchen“, erzählt sie. „Aber ich war damals nicht besonders glücklich. Meine Ehen scheiterten, mir ging es nicht gut. Das sehe ich jetzt, wenn ich auf diese Zeit zurückblicke. Damals dachte ich: Das Leben ist eben so. So naiv war ich.“

Vor fünfzehn Jahren hatte sich Daliah Lavi aus der Showbranche ins Privatleben zurückgezogen. Mit ihrem vierten Ehemann, dem US-Industriellen Charles Gans, lebte die vierfache Mutter seither im 70 000-Einwohner-Städtchen Asheville in North Carolina. Doch jetzt ist die Sängerin wieder da. Im November erschien ihr neues Album „C’est la vie – so ist das Leben“, am 28. Februar beginnt eine Tournee, die sie durch zwölf deutsche Städte führen wird. Von einem Comeback will sie aber nichts wissen. „Das ist keine Comebacktour, ich kehre nicht zurück. Es soll eine Abschiedstour werden, mit der ich mich bei meinem Publikum bedanken möchte.“

Daliah Lavis Karriere verlief alles andere als gradlinig, eigentlich hatte sie gar nicht vor, Sängerin zu werden. Immer wieder waren es Zufälle, die ihren Weg bestimmten. Sie selber sieht ihr Leben als „eine Art Baum mit vielen ineinander verschränkten Ästen und Zweigen.“ Erst im Nachhinein ergibt alles einen Sinn. „Ich habe angefangen in einem kleinen Dorf in Israel, nun ende ich in einer kleinen Stadt in Amerika“, sagt sie. C’est la vie.

Geboren wurde sie 1942 als Daliah Lewinburg in einer genossenschaftlich organisierten Siedlung bei Haifa, die von schwäbischen Juden auf der Flucht vor dem Holocaust gegründet worden war. Ihre Mutter stammte aus Breslau, ihr Vater war Russe. Als Kind träumt sie davon, Balletttänzerin zu werden. Mit zehn bekommt sie Ballettschuhe geschenkt, kurz darauf erhält sie ein Stipendium für die Königliche Ballettschule in Stockholm. Nach anderthalb Jahren muss sie ihre Ausbildung abbrechen, weil sie zu schnell gewachsen ist. „Im klassischen Ballett durften Frauen damals nicht so groß sein, der Mann musste immer größer sein. Ich habe mich schon in ,Schwanensee’ tanzen gesehen. Balletttänzerin zu werden war das Einzige, was ich wirklich wollte. Es nicht geschafft zu haben, war die größte Enttäuschung meines Lebens.“

Zurück in Israel, beginnt Lavi als Fotomodell zu arbeiten. Als sie 17 ist, sieht ein Filmproduzent ein Foto von ihr in einem Schaufenster in Tel Aviv. „So habe ich meine erste Hauptrolle bekommen.“ „Brennender Sand“, eine deutsch-israelische Koproduktion, handelt von der Bergung biblischer Schriftrollen in der Wüste. Der Abenteuerfilm macht die Schauspielerin über Nacht bekannt, allein 1960 dreht sie noch drei weitere Filme. Sie lernt ihren ersten Mann, einen Franzosen, kennen, zieht mit ihm nach Paris, ist bald mit Alain Delon befreundet und steigt in den Jetset der Filmszene auf.

Ihre Filme heißen „Im Stahlnetz des Dr. Mabuse“, „Der Dämon und die Jungfrau“, „Schüsse im Dreivierteltakt“ oder „Leise flüstern die Pistolen“, sie arbeitet mit Dean Martin, Orson Welles und Yul Brynner. „Ich habe Filme gedreht, die haben sehr viel Geld gemacht und waren schrecklich“, sagt sie heute. Für rund vierzig Filme steht Lavi bis 1971 vor der Kamera. Ihre Lieblingsfilme sind „Lord Jim“ und, etwas überraschend, die Klamotte „Das schwarz-weiß-rote Himmelbett“. „Der Regisseur Rolf Thiele sagte: Du bist eine Komikerin. Man gab mir immer diese dunklen Rollen, aber Thiele hatte recht: Eigentlich habe ich ein komisches Talent. Das wusste ich selber bis dahin nicht.“

Der Beginn ihrer Musikkarriere: wieder ein Zufall. 1969 – Daliah Lavi lebt inzwischen in London – wird sie von einem befreundeten Musical-Schauspieler in seine BBC-Fernsehshow eingeladen. Sie singt ein paar israelische Folksongs. Der Musikproduzent Mike Sloman sieht die Show und bietet ihr einen Plattenvertrag an. Bereits ihre erste Single wird ein Hit: „Love Song“. Weil Lavi sich fließend in mehreren Sprachen ausdrücken kann, wird das Stück auch in Italienisch, Spanisch, Französisch und Deutsch aufgenommen. Am größten ist ihr Erfolg in Deutschland, wo aus dem „Love Song“ das „Liebeslied jener Sommernacht“ wird. 1970 wird sie von den Juroren einer Fachzeitschrift zur beliebtesten deutschsprachigen Sängerin gewählt, vor Manuela und Katja Ebstein. Ein Triumph.

Dass die Israelin Daliah Lavi ein Vierteljahrhundert nach dem Holocaust von den Deutschen gefeiert wurde, hat sie nicht weiter irritiert. „Bevor ich zum ersten Mal in Deutschland aufgetreten bin, habe ich meine Mutter gefragt, was sie davon hält. Sie sagte: Ich vertraue dir. Für mich waren die Konzerte in Deutschland fantastisch. Ich konnte dadurch in Kontakt kommen zu den jungen Leuten. Und diese jungen Leute trugen keine Schuld am Holocaust, sie waren nicht verantwortlich für das, was ihre Eltern und Großeltern gemacht hatten.“ Antisemitismus, das versichert Lavi, sei ihr in Deutschland nie begegnet.

„C''est ca la vie – genau so ist das Leben / Es kommt fast nie so wie man sich das denkt / Die Fantasie liegt immer knapp daneben“, singt Daliah Lavi nun auf dem neuen Album, das ihr letztes sein soll. Dazu quietscht ein Akkordeon, ihre Stimme klingt rauer als früher. Jahrelang hatte sie alle Angebote abgelehnt, eine Platte aufzunehmen, weil sie glaubte, alles gesagt zu haben. „Meine Philosophie, meine Gedanken, meine Ängste, darüber hatte ich gesungen.“ Bis sie anfing, ihre Notizen durchzusehen, die sie in einer Kiste abgelegt hatte. „Da habe ich geguckt, was ist passiert in den letzten Jahren. Und ich fand Sachen, die etwas anders waren als das, was ich schon gesagt hatte: gelassener, vielleicht auch abgeklärter, ein bisschen witziger.“ Fünf neue Lieder und zehn überarbeitete alte Stücke hat sie aufgenommen. Statt „Willst du mit mir geh’n?“ fragt sie jetzt „Wollt ihr mit mir geh’n?“. Eine Hommage an ihre Fans.

Israel, sagt Daliah Lavi, sei ihre Heimat und die Welt ihr Zuhause. Welcher Traum ist ihr geblieben? Der Traum vom Frieden. „Jerusalem trägt den Frieden im Namen“, erzählt sie. „’Jerusalem’ heißt übersetzt ’Du wirst den Frieden sehen’. Diesen Frieden zu erleben, bevor ich gehe, das wäre mein größter Traum. Frieden mit unseren Nachbarn, weil sie unsere Brüder sind.“

Daliah Lavi tritt am Montag vor ausverkauftem Haus im Berliner Friedrichstadtpalast auf.

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