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Soldat in Erding angeschossen: Polizei ging offenbar von späterem Start der Bundeswehrübung aus
Im bayerischen Erding wird ein Bundeswehrsoldat von einem Polizisten angeschossen. Die Polizei rechnete offenbar erst einen Tag später mit einem Start der Übung.
Stand:
„Schulter an Schulter“ mit Polizei und Rettungskräften wollte die Bundeswehr in Bayern trainieren, acht Tage lang, in der Öffentlichkeit. Das Szenario: Hinter einer fiktiven Frontlinie bedrohen Drohnen, Saboteure und Bewaffnete ohne Armeezugehörigkeit die Sicherheit – und die Feldjäger müssen mit der Polizei dagegen vorgehen.
Doch schon am ersten Tag geht die Zusammenarbeit mächtig schief: Feldjäger werden von der Polizei beschossen – mit scharfer Munition. Ein Soldat wird angeschossen und verletzt. Wie konnte das passieren?
Warum wurde nicht auf einem Truppenübungsplatz trainiert?
Die Bundeswehr wollte bei der Übung namens „Marshal Power“ möglichst realitätsnah für den Fall trainieren, hinter einer fiktiven Frontlinie gegen Bedrohungen vorzugehen. Dabei sollte es um Sabotage zum Beispiel am stillgelegten Atomkraftwerk Isar 2 gehen, aber auch um die Abwehr von Drohnen und den Kampf gegen „irreguläre Kräfte“ – also Bewaffnete, die nicht zu einer Armee gehören.

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Geübt werden sollte auch an Landstraßen, in Ortschaften und auf Firmenarealen, und gerade nicht auf abgezäunten Truppenübungsplätzen. Etwa 500 Soldaten der Feldjäger und rund 300 zivilen Einsatzkräfte sollen beteiligt sein.
Wie kam es zu den Schüssen?
Viele Fragen dazu sind noch offen. Die Polizei sprach zunächst von einer „Fehlinterpretation vor Ort“. Alarmiert worden war die Polizei demnach am Mittwoch nach 17 Uhr, weil jemand von einer vielbefahrenen Bundesstraße aus einen bewaffneten Mann im Tarnanzug gesehen hatte. Daraufhin habe die Einsatzzentrale „starke Kräfte“ dorthin geschickt, es fielen Schüsse.
Nach dpa-Informationen handelte es sich um einen Schusswechsel zwischen Soldaten und der Polizei. Darüber, ob es sich bei den von den Soldaten abgegebenen Schüssen um echte Patronen oder Schreckschüsse gehandelt hatte, gab es zunächst keine gesicherten Angaben.
Dabei wurde einer der Bundeswehr-Soldaten von einem Schuss der Polizei getroffen und verletzt. Erst im Nachgang habe sich herausgestellt, dass der Mann wegen der Übung dort bewaffnet unterwegs war, teilte die Polizei mit. Die Hintergründe würden nun ermittelt. Der Soldat sei mittlerweile wieder aus dem Krankenhaus entlassen worden, sagte ein Sprecher des Operativen Führungskommandos der Bundeswehr der dpa.
Die Feldjäger versuchten in Zusammenarbeit mit der Polizei aufzuklären, wie es zu dem Missverständnis kommen konnte, sagte der Sprecher weiter. Die Bundeswehr hatte vor der Übung angekündigt, dass dabei Feldjäger auch als „irreguläre Kräfte“ unterwegs sein, also die bewaffneten Kämpfer ohne Armeezugehörigkeit darstellen sollten. Ob die bei den im Schusswechsel involvierten Soldaten dazugehörten, war zunächst nicht klar. Der Landrat des Kreises Erding, Martin Bayerstorfer (CSU) sprach von „katastrophaler Kommunikation“ zwischen Polizei und Bundeswehr.
Wusste die Polizei nichts von der Übung?
Nein – sagt zumindest die Polizei selbst. „Wir wussten nicht, dass zu diesem Zeitpunkt dort geübt wird“, sagte ein Polizeisprecher des Präsidiums in Ingolstadt der Deutschen Presse-Agentur. „Bei der Übung gestern war die Polizei in Erding auch nicht involviert.“ Später hieß es, man habe erst ab Donnerstag mit dem Beginn der Übung gerechnet, teilte das Polizeipräsidium Oberbayern Nord am Mittwochabend mit.
Bei der Übung gestern war die Polizei in Erding auch nicht involviert.
Polizeisprecher des Präsidiums in Ingolstadt
Über die großangelegte, für mehrere Tage in verschiedenen Regionen geplante gemeinsame Übung „Marshal Power“ habe man zwar Bescheid gewusst, hieß es weiter. Der Beginn der Übungen sei für alle Regierungsbezirke für Mittwoch angemeldet gewesen, der Start der ersten Lage im Übungsszenario der Bundeswehr allerdings erst für Donnerstag angekündigt gewesen.
Jetzt werde „intensiv geprüft“, wo es zu einer „Kommunikationspanne“ gekommen sein könnte. Die Bundeswehr hatte vor Beginn der Übung noch verlautbaren lassen: „Alle Übungsaktivitäten sind im Vorfeld mit den zuständigen Kommunen und Behörden abgestimmt.“ Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius wollte sich zunächst nicht zu dem Zwischenfall äußern.
Hatten die Behörden die Anwohner informiert?
Inwieweit das erfolgte, blieb zunächst weitgehend offen. Eine Pressesprecherin des Landratsamts Erding sagte auf Nachfrage, die Behörde sei in diesem Fall nicht für die Kommunikation zuständig gewesen. Eine Pressemitteilung habe es seitens des Landratsamts jedenfalls nicht gegeben, in der lokalen Presse sei aber über „Marshal Power“ berichtet worden. Die Kommunikationshoheit liege bei der Bundeswehr, sagte der Landrat.

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Die Bundeswehr hatte Informationen zu der Großübung zwar vorab im Internet veröffentlicht, der Landkreis Erding wurde darin aber nicht explizit als Übungsort genannt. Einzelne Anwohner in Erding berichteten Medien zufolge, dass sie von dem Training der Bundeswehr dort nichts gewusst hatten.
Was bedeutet der Vorfall für die Übung?
Wie es nun genau weitergeht, ist unklar, die Übung soll aber fortgesetzt werden, teilte die Bundeswehr mit. Die Planung geht davon aus, dass an mehreren Standorten in Bayern noch bis zum 29. Oktober trainiert wird.
Offiziell lautet die Sprachregelung: Die Bundeswehr stehe in engem Austausch mit den verantwortlichen Ermittlungsbehörden vor Ort, um die Sache schnellstmöglich aufzuklären. Das erklärte Ziel der Übung, eine bessere Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und zivilen Kräften, dürfte durch den Vorfall aber noch einmal an Bedeutung gewonnen haben. (dpa)
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