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Panorama: Unter der Glocke

Alle Hoffnung zur Eindämmung der Ölpest ruht auf einer gigantischen Stahlkonstruktion, die BP zum Bohrloch bringen will

Venice - Ein Wetterumschwung droht den Kampf gegen die Ölpest im Golf von Mexiko in den kommenden Tagen zusätzlich zu erschweren. Die Helfer an der US-Küste nutzten am Mittwoch den noch ruhigen Wellengang, um ihre Bemühungen zur Eindämmung des aus der Tiefseebohrung strömenden Öls zu forcieren. „Die Winde helfen uns, aber am Donnerstag fangen sie an, weniger hilfreich zu werden“, sagte der Gouverneur von Louisiana, Bobby Jindal, in New Orleans.

Der Ölkonzern BP brachte am Mittwochabend eine gigantische Stahlglocke auf den Seeweg, die über das Bohrloch gestülpt werden soll, um es abzudichten. Der Einsatz der Konstruktion soll laut BP binnen sechs Tagen beginnen.

Das kleinste der drei Lecks konnten Experten am Mittwoch abdichten. Mit Hilfe von Robotern sei ein Steigrohr zu der havarierten Bohrinsel gekappt und ein Ventil daraufgesetzt worden, teilte die Nationale Ozean- und Atmosphärenverwaltung mit. Dennoch strömten weiterhin rund 5000 Barrel Öl pro Tag ins Meer.

Am Dienstag war es fast 200 Booten gelungen, mit Schwimmsperren das Öl vom Festland fernzuhalten. Ein Behördensprecher in Louisiana sagte, bislang lägen keine Meldungen über angeschwemmtes Öl vor. In der Nähe der Chandeleur-Inseln unweit des Mississippideltas wurde dagegen ein erster Ölteppich entdeckt, wie die Umweltbehörden meldeten. Das Öl hat sich Schätzungen zufolge schon auf einer Fläche von rund 210 mal 110 Kilometern ausgebreitet. Wird der Ölteppich von einem wichtigen Meeresstrom im Golf erfasst, könnte er gar bis vor die Küste North Carolinas getragen werden, warnte der Ozeanograf Robert Weisberg von der University of South Florida.

Gestoppt werden dürfte der Ölstrom aus den lecken Stellen der Bohrung in 1500 Metern Tiefe erst in Wochen oder Monaten. Kurzfristig richteten sich die größten Hoffnungen aber auf die rund 100 Tonnen schwere Glocke aus Stahl, die in Port Fourchon in Louisiana eilig zusammengebaut wurde. Die rund zwölf Meter hohe und vier Meter breite Konstruktion soll über das größte Loch gestülpt werden. Eine eingebaute Steigleitung soll das Öl absaugen und in einen Tanker an der Oberfläche befördern. Dieses System hatte sich bei Sturmschäden nach dem Hurrikan „Katrina“ bewährt, allerdings in weit geringeren Wassertiefen. Die Glocke wird nach Expertenschätzungen auch nur 85 Prozent des Öls aufnehmen können. Parallel soll in der Nähe des Lochs eine Entlastungsbohrung den Druck an der Quelle vermindern. Ihre Fertigstellung dürfte aber zwei bis drei Monate dauern.

US-Innenminister Ken Salazar kündigte sich für Mittwoch in Naturschutzgebieten in Alabama und Louisiana an. Die US-Regierung ist bemüht, sich entschlossen zur Bekämpfung der Ölpest zu zeigen und Druck auf BP aufrechtzuerhalten. Die Umweltkatastrophe hat US-Präsident Barack Obama in Zugzwang gebracht, in Aussicht gestellte erweiterte Bohrgenehmigungen auf hoher See in anderen Regionen zu stoppen. Damit aber würde seine Klimapolitik infrage gestellt, für die er mit dem Zugeständnis die Unterstützung der Republikaner im Kongress gewinnen wollte. Die demokratische Senatorin Mary Landrieu aus Louisiana wies Forderungen nach einem Ende der Bohrungen zurück. rtr

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