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© Privat

Wir müssen REDEN (26): Voll einen an der Waffel

Hast du eine Macke? Das fragte Ric Graf vorigen Freitag. Heute antwortet ihm Elena Senft.

Eine Zeit lang wäre ich fast wahnsinnig geworden, weil ich von einem Tag auf den anderen das Gefühl hatte, immerzu meine eigene Nase zu sehen. Sie schien mir plötzlich immer im Blickfeld zu sein und meine Sicht zu behindern. Ich fing dann zwischendurch an zu schielen, in Vorlesungen, im Café, an der U-Bahn-Station, was vor allem ästhetische Nachteile mit sich brachte. Das Problem ging irgendwann weg und ich bin seitdem frei von Macken und spreche lieber schnell über die Macken anderer Leute, bevor das mit der Nase womöglich wieder losgeht.

Eine Freundin von mir verlässt ihre Wohnung nicht, ohne vorher alle Geräte auf deren Off-Status überprüft zu haben. Ist die Waschmaschine aus? Ist der Fernseher vielleicht nur auf Standby? Neulich mussten wir noch einmal in ihre Wohnung umkehren. „Ich habe nicht geguckt, ob die Kaffeemaschine aus ist!“ „Du hast sie doch gar nicht benutzt!“ „Na und?!“

Eine andere Freundin zupft aus Wollpullovern unentwegt die Fasern raus, so dass, egal wo sie gesessen hat, später ein kleiner Haufen Wollkügelchen liegt.

Wiederum eine andere Freundin hat panische Angst, dass die Tastensperre ihres Handys nicht eingeschaltet ist. Man kann mit ihr nur dann kompromittierende Gespräche führen, wenn sie dabei das Handy in der Hand und den Blick stoisch auf das kleine Schlüsselsymbol auf dem Display gerichtet hat. Diese Freundin erzählte mir von einer Bekannten, die jeden Tag unter ihrer sonstigen Kleidung dasselbe Unterhemd trägt, seitdem sie sich einmal selbst eingeredet hat, dass es ihr Glück bringe. An den seltenen Tagen, an denen das Hemd gewaschen wird, fühlt sich das Mädchen schlecht. Und ein Freund von mir kann in Bars oder Cafés nur dann aufs Klo gehen, wenn sich kein anderer im Toilettenbereich aufhält. Es kann eine halbe Stunde dauern, bis er zurück an den Tisch kommt. Er sagt, es sei bei ihm damit losgegangen, kurz nachdem er sich als Kind abgewöhnt hatte, absichtlich ein Bein nachzuziehen, um Aufmerksamkeit zu erregen. Gerade fällt mir doch noch eine Macke von mir ein: Ich kann schlecht Dinge für mich behalten.

Ric, was magst du nicht an dir?

Am nächsten Freitag antwortet wieder Ric Graf.

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