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Panorama: Vorgelesen: Hellmuth Karasek über Sebastian Haffners "Geschichte eines Deutschen"

Ein Glücksfall! Im Nachlass des großen, 1999 verstorbenen Publizisten Sebastian Haffner (seine "Anmerkungen zu Hitler" sind eine wichtige essayistische Analyse des "Dritten Reichs") fand dessen Sohn das Manuskript "Geschichte eines Deutschen.

Ein Glücksfall! Im Nachlass des großen, 1999 verstorbenen Publizisten Sebastian Haffner (seine "Anmerkungen zu Hitler" sind eine wichtige essayistische Analyse des "Dritten Reichs") fand dessen Sohn das Manuskript "Geschichte eines Deutschen. Die Erinnerungen 1914-1933" (DVA). Ein Manuskript, das den Roman einer Kindheit, einer Jugend, eines Erwachsenwerdens in Deutschland darstellt, wie er klüger, scharfsinniger und feinfühliger nicht geschrieben werden konnte.

Haffner, 1907 als Sohn eines Juristen und hohen Berliner Beamten mit seiner Kindheit in den Ersten Weltkrieg hineingeboren, erlebte Kriegsbegeisterung, den Taumel der Siegesmeldungen der Frontberichte, die Niederlage, die ihnen unfassbar erschien, die Revolution, die zur verratenen, blutig zusammenkartätschten Revolution wurde. Er beschreibt die Freikorps-Zeit, den Terror von Rechts, der dem Nazistaat den Weg zurechtgetrampelt hat. Und er erfährt Hitlers Macht am eigenen Leib, aus der Nähe des fassungslosen Zeitgenossen, dem der aufsteigende Geruch des Ekels nicht die scharfen Sinne trübt. Haffner erlebt Hitler auch als einen Politiker, der einem ganzen Volk das private Leben stiehlt, die Gedanken gleichrichten will und auf brutale Willfährigkeit bauen und mit entsetzter feiger Ohnmacht rechnen kann.

Er hat die Ursachen des deutschen Verhängnisses an der eigenen Biografie gespürt: den Bruch einer Nation in der Inflation, die den nächsten Krieg herbeisehnte, weil ihre Psyche im ersten Krieg und Nachkrieg zerstört wurde. Klüger, bewegter, sachlicher, als Haffner das tut, lässt sich das nicht beschreiben. Haffners zeitgenössische Hellsicht ist stupend.

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