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Panorama: Wahre Geschichten: Männer mit Wampe

Bauchen Sie nicht so! schimpfte der Herrenschneider bei der Anprobe des neuen Anzugs; denn der Kunde wollte mittschiffs einfach nicht hineinpassen.

Bauchen Sie nicht so! schimpfte der Herrenschneider bei der Anprobe des neuen Anzugs; denn der Kunde wollte mittschiffs einfach nicht hineinpassen. Bauchen Sie nicht so! - "Das Sparschwein" von Eugène Labiche, eine Farce aus dem 19. Jahrhundert, in den siebziger Jahren einer der Theatertriumphe der Schaubühne am Halleschen Ufer. Wer die Aufführung sah, merkte sich die Szene und das Wort. Vor allem die jungen Männer. Sie hatten ihre Vattis und Onkels vor Augen, und die bauchten längst erheblich. Zwar schwört der junge Mann sich selbst inständig, er werde niemals bauchen, er auf keinen Fall. Doch zersetzt ihn im Innern längst der Zweifel. Jeden ereilt es.

Unvermeidlich beginnt der Mann im Lauf der Jahre zu bauchen; eine Art tertiäres Geschlechtsmerkmal, das wie von selbst entsteht. Zwar kann man seine Ausbildung durch Abmagerungskuren und sportliches Training tüchtig fördern - beide hinterlassen stets mehr Bauch, als sie fortschaffen konnten -, doch scheint im Kern das Bauchen nirgendwo anders als in der Natur des Mannes zu liegen, die von der Zeit bloß herausprozessiert zu werden braucht.

Auch das Entblößen tertiärer Geschlechtsmerkmale erzeugt aber Schamgefühl. Deshalb schauen Männer, wenn sie, halbnackt, in Badehosen bauchen, stets so verlegen aus. Sogar die Gesellschaft von ihresgleichen macht das nicht besser.

Bleibt die Möglichkeit, sich wegen des Bauchens selbst zu verhohnepipeln. Alberne Auftritte in orientalischen Bars. Stramm den Bauch einziehen, damit man wie Johnny Weissmüller ausschaut. Oder einfach nur lässig als Schreibpult in der Gegend herumstehen.

Michael Rutschky

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