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Die Flagge der trans Bewegung.

© REUTERS/David Ryder

Medizinische Behandlung von trans Jugendlichen: Erste deutsche Leitlinie gibt Orientierung

Die Leitlinie „Geschlechtsinkongruenz und Geschlechtsdysphorie im Kindes- und Jugendalter“ soll Ärzt*innen etwa beim Verschreiben von Pubertätsblockern Orientierungspunkte geben.

Stand:

Dass eine medizinische Begleitung von trans Jugendlichen notwendig ist, gilt schon lange als wissenschaftlicher Konsens. Darüber wie diese aussehen könnte, herrschte allerdings auch unter Ärzt*innen Unsicherheit.

Nun gibt es die erste deutsche Leitlinie, an der sich Behandelnde orientieren können. Die S2k-Leitlinie „Geschlechtsinkongruenz und Geschlechtsdysphorie im Kindes- und Jugendalter – Diagnostik und Behandlung“ ist Ergebnis eines siebenjährigen Prozesses, während dem 27 psychotherapeutische und medizinische Fachgesellschaften den Stand der Wissenschaft zusammengetragen und Empfehlungen formulierten, die von 25 der Fachgesellschaften getragen werden. Die Leitlinie soll bis 2029 gültig bleiben.

Auch in der trans Community wurde die Leitlinie erwartet, zum Teil mit Sorge. Denn ähnliche Leitlinien, beispielsweise in Großbritannien, waren dort Grundlage für ein Verbot von Pubertätsblockern.

Die Studienlage zur Behandlung von trans Jugendlichen ist noch dünn, ebenso die Daten zu Pubertätsblockern. Deshalb konnte die Leitlinie auch nicht, wie zuerst geplant, mit der höchsten Klassifikationsstufe S3 veröffentlicht werden. Gerade in Bezug auf Pubertätsblocker und Hormontherapie ist die deutsche Leitlinie deutlich weniger restriktiv als die britische. Ebenso floss die Haltung des deutschen Ethikrates in die Leitlinie mit ein, wonach das Recht von Jugendlichen auf geschlechtliche Selbstbestimmung zu schützen sei.

Stabile Geschlechtsinkongruenz als Indikator

Voraussetzung für die Gabe von Pubertätsblockern soll laut Leitlinie unter anderem eine stabile Geschlechtsinkongruenz „mit nach Pubertätseintritt entstandenem oder verstärktem geschlechtsdysphorischen Leidensdruck sein“. Die Indikation solle erst nach der vorpubertären Phase erfolgen. Für geschlechtsangleichende hormonelle Behandlung sollte sowohl eine psychiatrisch-psychotherapeutische Einschätzung als auch eine endokrinologische Beurteilung des Reifestadiums erfolgen.

Für eine operative Masektomie oder Brustverkleinerung soll zusätzlich eine Fachperson aus der operativen Medizin hinzugezogen werden. Außerdem müsse eine mehrjährige Geschlechtsinkongruenz und der damit verbundene Leidensdruck vorliegen. Ebenso sollten Lebensgeschichte und andere psychische Befunde berücksichtigt werden. Genitalangleichende Operationen werden erst nach Erreichen des 18. Lebensjahres empfohlen.

„Die Leitlinie beruht auf den Erkenntnissen evidenzbasierter Medizin, den Rahmensetzungen der Weltgesundheitsorganisation und medizinethischen Grundsätzen“, kommentierte Mari Günther, Referentin für Beratungsarbeit und Gesundheitsversorgung beim Bundesverband Trans*, die Leitlinie.

Sie ermögliche soziale Akzeptanz und medizinische Begleitung und biete „eine gute Orientierung, um Falschinformationen und populistisch verkürzte Behauptungen als solche zu erkennen“.

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