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Olympia Bukakkis, Drag-Künstler*in aus Berlin.

© Henry Laurisch

Berliner Drag-Künstler*in in Neukölln überfallen: Während des Lockdowns auf offener Straße attackiert

Die Drag-Künstler*in Olympia Bukkakis wurde während des Lockdowns in Neukölln niedergeschlagen. Die Gefahr von queerfeindlichen Übergriffen steige, meint sie.

Die aktuelle Krise wirkt sich auf queere Menschen in besonderem Maße aus: Schutzräume sind geschlossen, Beratungen abgesagt, Verfahren zur Vornamens- und Personenstandsänderung ausgesetzt. Viele Menschen sind außerdem dazu gezwungen, Zeit mit Familienmitgliedern zu verbringen, die ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität nicht akzeptieren.

Dadurch, dass sich weniger Menschen im öffentlichen Raum aufhalten, könnte außerdem die Gefahr von Diskriminierung und Gewalt gegen Queers auf der Straße steigen. Das meint die Berliner Drag-Künstler*in Olympia Bukkakis. Sie selber wurde in der Nacht zum Ostermontag in Neukölln angegriffen: „Ich war am Abend mit einer Freundin unterwegs, die auch trans ist, und wir trugen beide Kleider.“

Zwei Männer seien hinter ihnen gelaufen und hätten sie gefragt, ob sie homosexuell seien.

Der Täter schlug sie zu Boden

Ihre Freundin habe die Frage bejaht, aber damit hätten die Männer sich nicht zufriedengegeben. Von der Richardstraße bis zum Alfred-Scholz-Platz sei einer der beiden ihnen gefolgt und habe sie mit weiteren Fragen bedrängt, bis Olympia sich schließlich umdrehte: „Ich habe ihm gesagt, dass es inakzeptabel ist, zwei Fremden nachts zu folgen und er uns in Ruhe lassen soll“.

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Daraufhin schlug der Mann ihr so fest ins Gesicht, dass Olympia zu Boden ging. Als sie sich aufrichten wollte, schlug er sie erneut und flüchtete anschließend mit seinem Freund.

„Meine Freundin hat dann die drei Leute, die den Angriff aus Distanz mitbekommen haben, gebeten, die Polizei zu rufen“, sagt Olympia. "Aber die meinten nur, dass wir den Mann provoziert hätten und liefen weiter.“

Zufällig fuhr die Polizei vorbei

Dass zufällig ein Polizeiwagen vorbeifuhr, sei reines Glück gewesen. Erleichtert berichtet Olympia, dass die Polizist*innen den Vorfall sofort als Hassverbrechen aufgenommen und sie mit dem korrekten Pronomen angesprochen hätten: „Von der Polizei wurde ich öfter richtig gegendert als im medizinischen System.“

Tatsächlich erfasste die Polizei die Tat als LGBT-feindlichen Übergriff. Das ist wichtig, um Straf- und Gewalttaten, die sich spezifisch gegen LGBT-Personen richten, erfassen zu können. Allein im vergangenen Jahr lag die bundesweite Zahl der Straftaten gegen queere Menschen bei mindestens 564, die Dunkelziffern dürften deutlich höher liegen. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Zahl damit um über 60 Prozent.

"Stressfaktor wie Pandemie führt zum Anstieg von queerfeindlicher Gewalt"

„Ich denke, dass ein Stressfaktor wie die Pandemie zum Anstieg von Gewalt gegen queere und trans Menschen führen könnte“, meint Olympia „dieser Gedanke ist sehr beunruhigend.“

Ihrer Erfahrung nach würden die meisten im Falle eines Angriffs zwar nicht direkt eingreifen, aber ihre Anwesenheit schrecke mögliche Täter*innen zumindest ab. Durch die Pandemie seien jedoch weniger Menschen auf den Straßen. Täter*innen hätten weniger Hemmungen, queere Menschen anzugreifen.

Olympia das Projekt „Queens against Borders“- eine Veranstaltungsreihe, dessen Erlöse an Geflüchtete gehen.
Olympia das Projekt „Queens against Borders“- eine Veranstaltungsreihe, dessen Erlöse an Geflüchtete gehen.

© Niklas van Schwarzdorn

Es ist nicht das erste Mal, dass Olympia in der Öffentlichkeit attackiert wird. Seit acht Jahren lebt die gebürtige Australierin mittlerweile in Berlin und arbeitet als Drag-Künstler*in. Zum Beispiel gründete Olympia das Projekt „Queens against Borders“- eine Veranstaltungsreihe, dessen Erlöse an Geflüchtete gehen.

Dazu gehören Diskussionen über Themen wie die medizinische Versorgung von trans Menschen und Geflüchteten sowie Drag-Performances: Von syrischen Bauchtänzer*innen über experimentelle Bühnenshows bis hin zu Voguing ist alles dabei.

"Ich werde regelmäßig belästigt"

Als Drag-Performer*in zu arbeiten sei aber auch in Berlin alles andere als sicher. Wenn sie zu einem Auftritt laufe, dann achtet Olympia beispielsweise darauf, dass ihr Makeup nicht zu auffällig sei: „Ich werde regelmäßig belästigt, deshalb war ich nicht überrascht, dass mir so etwas passiert ist.“

Nach Angaben der Polizei wird der Sachverhalt derzeit vom Staatsschutz beim Landeskriminalamt Berlin geprüft. Solange die Ermittlungen laufen, können keine konkreteren Auskünfte erteilt werden.

Olympia wurde nach dem Vorfall ins Krankenhaus gebracht und dort behandelt. Zum Glück sei ihr Ellbogen nicht gebrochen gewesen, aber bewegen könne sie ihn immer noch kaum: „Ich hatte den Eindruck, der Typ wusste genau was er tat, denn zwei Schläge genügten, um mich auszuknocken.“

[Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog. Über die Entwicklungen speziell in Berlin halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden.]

Nach der Untersuchung konnte Olympia das Krankenhaus erst einmal verlassen. Im Verlauf der folgenden Tage stellte sich jedoch heraus, dass der Angreifer ihr den Kiefer gebrochen hatte, deshalb musste sie operiert werden und einige Tage im Krankenhaus verbringen.

Als nicht-Deutsche und trans Person sei der Aufenthalt nicht leicht gewesen: So sei Olympia auf die Männerstation verlegt worden, obwohl sie sich als nicht-binär identifiziert. „Für trans Personen, die nicht weiß sind, müssen solche Aufenthalte noch schwieriger sein.“

Ein Opferfonds für Olympia Bukkakis

Während ihres Krankenhausaufenthaltes richteten Mitglieder der Community einen Fonds für sie ein. Unter „Olympia’s Recovery Fund“ konnten Unterstützer*innen Geld spenden und Olympia bei ihrer Genesung unterstützen.

Vor allem während der Pandemie sei es schwierig, wichtige Termine für die medizinische Nachversorgung und auch für die Transition wahrzunehmen, da die medizinischen Einrichtungen sich am anderen Ende der Stadt befänden. Das Geld helfe ihr dabei, öffentliche Verkehrsmittel zu meiden - zumindest bis sie sich von den Folgen des Angriffs erholt habe.

Die Angst, alleine durch die Straßen zu laufen

„Ich habe immer noch Angst, allein durch die Straßen zu laufen, aber ich zwinge mich dazu, es trotzdem zu tun, auch wenn ich noch sehr vorsichtig bin.“ Inzwischen sei so viel Geld zusammengekommen, das sie einen Teil davon an queere Projekte spenden könne.

„Wenn andere Menschen ihre Transfeindlichkeit zu meinem Problem machen, dann sehe ich es als meine Pflicht, alle Menschen davon in Kenntnis zu setzen“, sagt Olympia. Und sie fügt hinzu: „wenn ich darunter leide, dann ist das nicht mein Problem, sondern das Problem aller.“

Inga Hofmann

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