
© Felix Denk / Felix Denk
Restaurantkritik Root: Crunchy Roll und Wagyu-Braten
Das mondäne Großrestaurant im Hotel Telegraphenamt bietet ein riesiges Angebot an Speisen – und kommt dabei arg durcheinander.
Stand:
Das Spiel mit der Überwältigung hat hier Strategie. Schon räumlich. Das „Root“ im Telegraphenamt, dem Hotel am Monbijou-Park von Roland Mary („Borchardt“), ist riesig. Unter dem gigantischen Glasdach mit bemalten Lampen streckt sich eine Landschaft aus üppigen Palmen, geschwungenen Sofas, geflochtenen Stühlen, geschecktem Steinboden und unverputzten Backsteinwänden. Ein Gesellschaftslokal, das mit der Opulenz der 1920er-Jahre kokettiert, bisschen auf mondäner Fresstempel macht, wie man sie in London oder Paris kennt.
Riesig ist auch die Speisekarte. Ganz anders als in all den anderen neuen Restaurants mit ihren messerscharfen Konzepten verzichtet die Küche im „Root“ auf jegliche Zuspitzung. Hier gibt’s irgendwie alles. Sushi, Curry, Consommé, Ceviche, Pommes, Yakitori, Tatar, Steaks... Warum eigentlich nicht? Das Blättern in der Speisekarte hat man ja schon fast verlernt in Zeiten des allgemeinen Menüzwangs. Ein Alleinstellungsmerkmal ist das programmatisch unprogrammatische Angebot allemal.

© Root Restaurant Hotel Telegraphenamt
Allerdings scheint die Überwältigung, die die Gäste unweigerlich beim Betreten des Großraumrestaurants ergreift, auch den Betrieb als Ganzes befallen zu haben. Jedenfalls bei unserem Besuch. Statt dem bestellten Sekt von Strauch kam ein alkoholfreier von Dr. Loosen, statt dem stillen Wasser eins mit Sprudel, dann dauerte es eine halbe Stunde, bis jemand Zeit fand, die richtigen Getränke zu bringen.
Einen erstaunlich hohen Random-Factor hatte dann auch der Rest des Abends. Statt der bestellten California Roll kam eine Crunchy Roll, statt dem Dip aus fermentiertem Gemüse und Wasabi-Mayonnaise eine mit Überdosis Trüffelöl. Der Weißwein, ein frischer Sauvignon Blanc von Wohlmuth aus der Steiermark, war auf Zimmertemperatur, da fragt sich der arglose Gast: Würde das auch bei den Burgunderweinen passieren, die hier für vierstellige Beträge verkauft werden?
Es wirkt, als hätte man sich zu viel vorgenommen. Der Service, der sich redlich mühte und auch im größten Stress beeindruckend freundlich blieb, kam im voll besetzten Haus beim besten Willen nicht hinterher. Zu beneiden war er nicht.
Und die Küche? Die schlug sich wacker, meist jedenfalls. Beim Nigiri mit halbfettem Thunfisch-Bauchstück Chutoro stimmten Produktqualität, Schmelz und Temperatur. Die frittierte Crunchy Roll mit Garnele, Avocado, Panko-Panade und einer schaumigen Käsehaube war dagegen eine viel zu fettige Komposition. Wirklich gut dafür das Avocadotatar mit leicht angeschärfter Crème fraîche und Limettengel. Ebenso gelungen der sehr fein geschnittene Papayasalat mit Minze, Röstzwiebeln, Erdnüssen und einem knusprigen Tempura von der Soft Shell Crab.

© Root Restaurant Hotel Telegraphenamt
Zum Hauptgang gab es ein geschmortes Stück Wagyu-Schulter, sicher nicht die naheliegendste Zubereitungsart für diese fein marmorierten Edelrinder. War aber gut im Biss und vollmundig im Geschmack, wenn auch ohne die charakteristische Buttrigkeit, die Wagyufleisch auszeichnet. Die Sauce hatte wenig Trüffelaroma aber arg viel Salz, das Sellerie- und Karottenpüree blieb etwas blass.
Die abschließende kühlschrankkalte Flugmango, wie die Speisekarte in entwaffnender Ehrlichkeit schreibt, war kleinteilig begleitet von allerhand duftigem Gebäck wie Kokos- und Zitronengrasküchlein. Ein versöhnliches Ende.
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