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Kranksein ist für Eltern lästiger als für Kinder, weil die Kleinen vom noch frischen Immunsystem profitieren.

© imago/Westend61

Kolumne: Der Kinderdok: Warum Eltern stärker leiden

Der Vater bleich, die Mutter kurzatmig, die Kinder hüpfen fröhlich durch den Raum: Erwachsene erkranken schlimmer als ihr Nachwuchs. Wie kann das sein?

„Sie werden nie krank, oder?“, fragte mich ein Vater, als wir uns zum dritten Mal in zwei Wochen sahen, weil das Bobele weiter vor sich hinrotzte.

Doch, auch ich kränkele ab und zu, meist, wenn meine eigenen Kinder krank werden. Da ist der Kontakt deutlich intensiver als in der Praxis. Die Hygiene ist außerdem anders: Wir desinfizieren uns dort vor und nach jedem Kontakt die Hände, regelmäßiges Waschen gehört ebenso dazu, wie die Handpflege mit Cremes, um Mikroverletzungen vorzubeugen, durch die Erreger in den Körper dringen können. Das mache ich in der häuslichen Freizeit nicht so intensiv, zuviel Hygiene schadet dem Immunsystem.

Als Kinder- und Jugendarzt erfährt man zudem während der Laufbahn eine stille „Feiung“, also die Auseinandersetzung mit verschiedensten Erregern, ohne gleich zu erkranken. Das Immunsystem trainiert über die Jahre, es entsteht eine unspezifische Abwehr, die nur von neuen Erregern – die mein Organismus nicht kennt – durchbrochen werden kann. Darum soll der Impfstatus von Ärzten immer auf dem neuesten Stand sein.

„Das haben sie aus der Kita mitgebracht“

Kinder erwischt es schneller: Sie haben mehr körperlichen Sozialkontakt, ihr Organismus kennt weniger Viren, jede Infektion ist eine Auseinandersetzung mit dem Neuen. Zehn bis zwölf Viruserkrankungen in der Saison sind daher völlig normal. Spätestens mit den ersten Frühlingstemperaturen (also jetzt!) wird alles besser, die Kitagruppen sind wieder vollständig, die Fehlzeiten in der Schule nehmen ab.

„Vektoren“ sagen die Infektiologen zu Kindern. Wir Eltern sagen: „Das haben sie aus der Kita mitgebracht“ – und direkt an alle Familienmitglieder weitergegeben. Warum aber erkranken die Eltern schlimmer als ihr Nachwuchs, haben mehr Symptome, leiden länger? Weil die Kleinen vom noch frischen Immunsystem profitieren! Zwar lernt ihr Organismus täglich neue Viren kennen, an denen er auch erkranken kann, aber das allgemeine Abwehrpotential ist besser als das von uns Silberrücken. Vermutlich kommen die schlechte Ernährung und andere Laster wie Alkohol oder Nikotin dazu, Kinder ernähren sich gesünder als ihre Eltern, jedenfalls solange wir darauf achten. Bei uns selbst ist ja meist die Obacht verloren gegangen.

Ich bin grippegeimpft

Kinder leiden, können nicht zu ihren Freunden zum Spielen, für Eltern ist Kranksein jedoch viel lästiger. Wir müssen weiter funktionieren, schleppen uns zur Arbeit und brauchen doch eigentlich auch Ruhe, Fürsorge und Streicheleinheiten. Wir sollten uns das wieder gönnen, um schneller gesund zu werden.

Neulich saß eine große Familie in der Praxis: Vater, Mutter und ihre vier Kinder, alle krank mit Fieber über 39 Grad, vermutlich die Influenza, die echte Grippe. Der Vater bleich, die Mutter kurzatmig, die Kinder hüpften fröhlich durch den Raum. Vielleicht könnte eine generelle Grippeimpfempfehlung für alle einige von diesen Verläufen verhindern.

Ich bin grippegeimpft. Und hielt mich gut während der Infektwelle vom Jahresanfang. Dann gönnten wir uns einen Kurzurlaub. Meine Kinder wurden krank. Ich auch. Keine Influenza – aber es gibt ja genug andere Erkältungsviren.

Unser Kolumnist betreibt eine Praxis in Süddeutschland, bloggt unter kinderdok.blog und schreibt ab sofort alle vier Wochen an dieser Stelle.

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