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In einer Kreuzberger Kneipe wird nur Barzahlung akzeptiert.

© IMAGO / Klaus Martin Höfer

Ständige Suche nach Bargeld: Weg mit den Geldscheinen, her mit der Kartenzahlung!

Mit Kredit- oder Girokarte zahlen? In Berlin ein Krampf. Das muss sich ändern – für einen zeitgemäßen Alltag, und um Kriminalität zu bekämpfen.

Ob beim Späti, beim Vietnamesen oder in Bars: An Kassen in Berlin stößt man regelmäßig auf laminierte Schilder mit der Aufschrift „Keine Kartenzahlung“ oder „Kartenzahlung nur ab 10 Euro“. Zu wenig Bargeld dabei? Sorry, da können wir nicht helfen.

Aber in der Umgebung soll es ja irgendwo einen Geldautomaten geben. Nicht selten begleitet strömender Regen oder eisiger Wind die pflichtschuldige Suche nach Geldscheinen. Deutschland, digitales Entwicklungsland.

Tech-Konzerne bauen bereits virtuelle Paralleluniversen auf, haben Video-Calls mit Menschen auf der ganzen Welt ermöglicht, Startups bieten DNA-Analysen für die eigene Ahnenforschung an – aber in Berlin und anderen deutschen Großstädten kann man noch immer nicht überall mit Kredit- oder Girokarte zahlen.

Das höchste der Gefühle war an einem Bahnsteig in Frankfurt am Main, als ich für Weingummis aus einem Snackautomaten mit der virtuellen Kreditkarte auf meinem Handy zahlen konnte. Freund:innen sehen mich teilweise noch immer mit großen Augen an, wenn ich mein Smartphone zum Bezahlen an Kontaktlos-Flächen halte.

Was in Berlin für manche Geschäfte einem technologischen Quantensprung gleicht, ist anderswo der Alltag im 21.  Jahrhundert. Niederlande, Schweden, Großbritannien: Kartenzahlung – ob Hartplastik oder virtuell –, ist dort kein Problem, wird selbstverständlich erwartet. Bargeld wird zum Teil abgelehnt. In China lassen sich sogar Bettelnde über ihr Smartphone Almosen geben.

Deutschland ist ein Geldwäscheparadies, auch wegen der Obsession mit Bargeld

Nun könnte man die Rückschrittlichkeit bei Zahlungen als eine Art kernige Eigenschaft der Deutschen belächeln, die Hegemonie des Bargelds zu akzeptieren, jede Woche zum Automaten zu gurken. Doch es geht bei modernen Zahlungsmitteln nicht nur um einen Komfortgewinn im Alltag, sondern um Steuerhinterziehung und andere Straftaten.

Dieser Anblick gehört der Vergangenheit an, findet unser Autor.
Dieser Anblick gehört der Vergangenheit an, findet unser Autor.

© dpa

Die ungebrochene Obsession mit dem Bargeld hat ihren Preis: Deutschland ist ein Geldwäsche-Paradies. Die Herkunft illegaler Vermögen lässt sich leicht verschleiern. Ein Berliner Reihenhaus für 700.000 Euro mit einem Aktenkoffer voller Geldscheine bezahlen?

Das ist kein Problem, sie müssen aber ihren Ausweis vorzeigen. Die laxen Vorgaben haben sich längst bei der organisierten Kriminalität herumgesprochen. Mehr als 100 Milliarden Euro waschen Kriminelle schätzungsweise jährlich in Deutschland, wie eine Dunkelfeldstudie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg ergab. Besonders der Immobiliensektor und die Gastronomie sind betroffen.

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Und was lässt sich dagegen tun? Die erste Maßnahme, die der Studienautor nennt: Obergrenzen für Bargeld. Ich hätte da noch einen völlig uneigennützigen Vorschlag: Weg mit dem Bargeld, her mit der Kartenzahlung! Ja, die Anschaffung der Geräte kostet erstmal Geld und es werden Gebühren fällig. Aber: Viele Geschäftsleute unterschätzen Kosten und Mühen für das Bargeld-Management und den täglichen Kassensturz.

Immerhin haben sich die Möglichkeiten für bargeldloses Zahlen seit dem Ausbruch der Pandemie verbessert. Dass nur die Angst vor einem tödlichen Virus die Vorherrschaft des Bargelds anfechten konnte, zeigt, wie weit der Weg zur Kartenzahlung noch ist. Bis dahin bleibt nur der Gang zum Geldautomaten.

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