
© Christiane Oelrich/dpa
„Persona non grata“ in Serbien: Theatermacher Milo Rau von Festival in Belgrad ausgeladen
Der für politische Stücke bekannte Regisseur Milo Rau darf nicht mehr zum wichtigsten Theaterfestival in Südosteuropa kommen. Die Kulturszene in Serbien steht unter Druck.
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Der Schweizer Theatermacher und Intendant der Wiener Festwochen, Milo Rau, ist vom renommierten Belgrader Theaterfestival Bitef ausgeladen worden. Die Entscheidung gehe vom politisch besetzten Vorstand des Festivals aus und stelle einen „Präzedenzfall“ dar, sagte die künstlerische Leitung um den Theaterregisseur Miloš Lolić.
In Serbien regiert Präsident Aleksandar Vučić mit zunehmend autoritären Methoden, die auch Zensur sowie Gewalt gegen Oppositionelle einschließen. Nun steht auch die Zukunft des Bitef auf dem Spiel, der seit fast sechs Jahrzehnten wichtigsten Schau zeitgenössischen Theaters in Südosteuropa.
Milo Rau in Serbien eine „Persona non grata“
Rau, der immer wieder politisch relevante Themen aufgreift, hätte in Belgrad nach dem Willen der künstlerischen Leitung seine Aufführung „Der Prozess Pelicot“ präsentieren sollen. Das in diesem Jahr für die Wiener Festwochen und das Theaterfestival in Avignon produzierte Stück von Rau und Servane Dècle thematisiert auf dokumentarische Weise den Fall der Französin Gisèle Pelicot, die jahrelang von ihrem Ehemann betäubt und von Dutzenden Männern sexuell missbraucht worden war.
Die Einladung zum Bitef scheiterte demnach an der Ablehnung durch den Vorstand, in dem auch eine Vertreterin des Kulturstaatssekretariats und eine regierungsnahe Journalistin saßen. Das Gremium begründete sein Veto nicht mit Vorbehalten gegenüber der Pelicot-Aufführung, sondern mit dem – nirgendwo offiziell festgehaltenen – Umstand, dass Milo Rau in Serbien eine „Persona non grata“, eine unerwünschte Person, sei.
Raus Kritik an Prestigeobjekt von Vučić
Tatsächlich hatte Rau als Eröffnungsredner des vorjährigen Bitef-Festivals den geplanten Lithiumabbau in einem Naturschutzgebiet im Westen Serbiens kritisiert. Viele Serben lehnen ihn ab, weil sie Schäden für die Umwelt befürchten, die durch die Korruption und Schlamperei der Vučić-Regierung noch vergrößert würden. Für den Staatschef handelt es sich jedoch um ein Prestigeobjekt, das auch von der EU und Deutschland unterstützt wird. Lithium ist ein wichtiger Rohstoff für die Batterien in E-Fahrzeugen.
Fragliche Zukunft des Festivals
Als Konsequenz von Raus Rede wurde der Vertrag des damaligen künstlerischen Festivalleiters Nikita Milivojević nicht verlängert. Zu seiner diesjährigen Ausladung sagte Rau in einer Mitteilung der Wiener Festwochen, die der Deutschen Presse-Agentur (dpa) vorliegt: „Die Entscheidung, das Stück „Der Prozess Pelicot“ zu zensieren, vollendet die seit Monaten andauernde Zerstörung der künstlerischen Freiheit bei einem der größten Festivals Europas.“
Wegen finanzieller Kürzungen seitens der öffentlichen Hand und politischer Einmischungsversuche wurde das Bitef in diesem Jahr von seinem traditionellen Termin im September aufs Jahresende verschoben, ohne dass ein konkretes Datum bekanntgeworden wäre.
Nach der Rau-Ausladung trat die künstlerische Leitung um Lolić zurück, der für die Zensurentscheidung verantwortliche Vorstand löste sich auf. In Belgrad wird nicht mehr damit gerechnet, dass das Bitef in diesem Jahr über die Bühne gehen wird. (dpa)
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