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Das deutsche Raumfahrt-Projekt: „Der Mond ist eine Rohstoffquelle“

Deutschland sollte im Weltraum auf die eigene Stärke setzen: Planetenforscher Neukum im Gespräch.

Stand:

Herr Neukum, Deutschland plant ein nationales Mondprogramm. Was ist an dem Erdtrabanten so interessant?

Der Mond ist neben der Erde der wesentliche Testkörper für die Entwicklung erdähnlicher Planeten. Erde und Mond sind als System eines Doppelplaneten entstanden. Um die Entwicklung der Erde vor allem in der Frühphase zu verstehen, muss man auch den Mond betrachten.

Warum rückt der Mond gerade jetzt in den Vordergrund?

Nach den Apollo-Missionen stürzte sich die Wissenschaft auf neue Ziele. Es gab große Missionen, etwa „Voyager“ zu den Planeten des äußeren Sonnensystems oder „Viking“ zum Mars. Nun stellt man fest, dass man vieles nicht richtig einordnen kann. Es fehlen etwa ausreichende Daten über die chemische Zusammensetzung der Gesteine oder das frühe Bombardement der Planeten durch Asteroiden. Die Wissenschaft hat bis heute die wesentlichen Prinzipien der Planetenentwicklung nicht ausreichend verstanden.

Was ist das Besondere an der deutschen Mission?

Wir haben herausragende Experimente, zum großen Teil mit Alleinstellungsmerkmal. Etwa die hochauflösende HRSC-Kamera, wie beim Mars, jetzt aber mit einer Auflösung von einem Meter. Wichtig ist auch die Untersuchung der Oberfläche des Mondes über einen großen Wellenlängenbereich, vom Ultraviolett über Infrarot bis zu Radarwellen. Das schaffen die modernen Instrumente, die die deutsche Wissenschaftsgemeinde zustande bringen kann, mit extrem hoher Qualität.

Kann man auf dem Mond auch Bodenschätze abbauen?

Aus den Apollo-Proben weiß man, es gibt zwei bis drei Prozent meteoritischen Materials in den obersten Zentimetern des Mondstaubs. Darunter kommen auch industriell wertvolle Elemente vor, zum Beispiel Iridium. Man muss nur die obersten Zentimeter mit Baggern abschürfen und verhütten. Das erfordert allerdings einen großen Aufwand, weil man die ganze Infrastruktur erst errichten muss. Wenn man auf den Mond geht, um dort zu bleiben, Stationen zu bauen, und die industrielle Verwertung vorbereitet, wird man in einigen Jahrzehnten so weit sein.

Werden auch Deutsche dabei sein?

Ich denke, ja. Man möchte dabei aber im Fahrersitz sein. Im Moment werden dazu die Weichen gestellt. Auch für ein größeres Programm, das als Fernziel bemannt sein und den Mond für weiter gehende wissenschaftliche Untersuchungen sowie als Rohstoffbasis nutzen wird.

Was ist dafür nötig?

Es müssten die politischen Entscheidungen getroffen werden, Wissenschaft und Technologie ausreichend zu finanzieren. In der Vergangenheit wurden die nationalen Ausgaben im Vergleich zu den Beiträgen für die europäische Weltraumagentur Esa stark reduziert. Das führte dazu, dass teilweise auf Esa-Missionen weniger deutsche Experimente dabei sein konnten, weil national nicht genügend Geld da war. Meines Erachtens hat auch die deutsche Industrie darunter gelitten. Mit der neuen Regierung erscheint mir dies grundlegend verbessert.

Wie sieht es im europäischen Ausland aus?

Frankreich und Italien ließen viel Geld in große nationale Programme fließen und hielten ihre Industrie und Wissenschaftsgemeinde so wettbewerbsfähig.

Es gibt viel Konkurrenz. Amerikaner, Italiener, Briten, Japaner, Inder und Chinesen planen ebenfalls Mondprogramme.

Das deutsche Vorhaben überschneidet sich nur wenig mit anderen Programmen. In Bereichen, in denen es instrumentelle Überlappung gibt, sind die geplanten deutschen Experimente deutlich besser.

Warum wollen die Asiaten zum Mond?

Mein Eindruck ist, dass Japaner, Inder und Chinesen einfach zeigen wollen, dass sie die technische Fähigkeit für Weltraummissionen haben. Da kommt es nicht so sehr darauf an, wie gut die Instrumente und Messungen sind. Sie haben auch nicht die tief gehende Erfahrung und Tradition im Bau von Weltraum-Instrumenten wie die Europäer oder Amerikaner. Wir in Europa und Deutschland müssen uns mit den amerikanischen Vorhaben messen. Das tun wir mit unserem Missionsvorschlag „Leo“ (Lunar Exploration Orbiter) auch.

Was ist mit Italienern und Briten?

Die Briten sind keine Konkurrenz, sie planen nur einen kleinen Satelliten. Die Italiener sind dagegen auf ähnlich hohem Niveau wie die deutsche und die amerikanische Seite. Die instrumentelle Ausstattung der italienischen Mission ist noch offen und wird derzeit in Industriestudien untersucht. Die Italiener sind besser in den Bereichen, wo sich in den letzten Jahren in der deutschen Planetengemeinde Schwächen zeigten: im Röntgen- und Gammabereich. Mit solchen Experimenten kann man die chemische Zusammensetzung direkt aus der Umlaufbahn messen. In Deutschland sind solche Arbeitsgruppen in den letzten Jahrzehnten immer schwächer geworden und die Expertise für Anwendungen im Planetenbereich ist kaum mehr vorhanden.

Wäre eine Kooperation Deutschlands mit den Italienern sinnvoll?

Ich denke schon. Es geht hier ja nicht nur um eine einzelne Mission, sondern letztlich steht dahinter weltweit die Absicht für ein komplettes Mondprogramm: also Sonden in der Umlaufbahn, Landegeräte, Roboter, Probenrückführung und schließlich bemannte Landungen mit dem Aufbau von Stationen. Ein solches Programm möchten wir von deutscher Seite aus mitbestimmen.

Das Gespräch führte Paul Janositz.

Gerhard Neukum (63) ist Planetenforscher an der Freien Universität Berlin. Er hat die Kamera entwickelt, die hochaufgelöste Stereobilder von Mars- und Mondoberfläche liefern kann.

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