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Tätowieerung

© ddp

Tattoos: Die falschen Zeichen gesetzt

Das Versprechen ist verlockend: Bio-Tattoos sollen nach wenigen Jahren von selbst verschwinden. Jetzt zeigt sich, dass das nicht stimmt. Die Entfernung der Tätowierungen ist teuer und hinterlässt Spuren.

Vier Jahre würde der Gecko auf ihrer Schulter zu sehen sein – danach sei er verschwunden, hatte man ihr versprochen. Das sei immer so bei Bio-Tattoos. Anke Behrendt hatte es geglaubt. Und tatsächlich: Nach der Zeit war das Reptil nicht mehr zu erkennen. Nur hatte sich der Gecko nicht vollständig aufgelöst, sondern in ein unförmiges, grün-graues Etwas verwandelt.

Als „Bio-Tattoos“, „Temporary Tattoos“ oder kurz „Temptoos“ beworben, ist damit immer dasselbe Versprechen verbunden: Nach vier bis fünf Jahren soll die Tätowierung verschwinden – und zwar spurenfrei. Die einfache Erklärung: Im Gegensatz zu normalen Tätowierungen werden die Farbstoffe mit der Nadel angeblich nicht so tief wie sonst in die Haut gestochen.

Nette Idee, sagen Mediziner. Aber unmöglich. Denn entweder landen die Farbstoffe in der obersten Hautschicht, der Epidermis – dann verschwinden sie tatsächlich, allerdings schon nach spätestens 28 Tagen. So lange dauert der Erneuerungszyklus der Oberhaut, die je nach Körperstelle bis zu 1,5 Millimeter dick ist. Oder die Farbstoffe werden tiefer gesetzt, in die mittlere Hautschicht, auch Dermis oder Lederhaut genannt. Und das ist permanent. Bei Bio-Tattoos kommt es häufig vor, dass manche Farbpartikel in der Oberhaut, andere in der Lederhaut landen – mit der katastrophalen Folge, dass Teile des Tattoos nach Wochen verschwinden und ein trauriger Rest übrig bleibt.

Ein weiteres Versprechen der „Bio-Tattoo“-Anbieter: Die Farbstoffe würden vom Körper langsam abgebaut. Das passiert aber nicht vollständig, es bleibt ein Grauschleier. Dann hat man drei Möglichkeiten: sich mit dem hässlichen Gebilde abfinden, ein neues Motiv drübertätowieren oder das Ganze mit dem Laser entfernen. Für Letzteres gilt in Berlin Hans-Peter Berlien als Experte, Chefarzt der Abteilung für Lasermedizin in der Elisabeth-Klinik in Mitte. Er entfernt pro Woche etwa zehn Tätowierungen, darunter auch immer mehr „Bio-Tattoos“.

Früher versuchte man, die Farbstoffe mit dem Laser zu zersprengen. Das gilt inzwischen als gefährlich, weil nie klar ist, welche Farbstoffe der Tätowierer verwendet hat. Üblich sind in deutschen Studios etwa Autolackpigmente. Stattdessen versucht Hans-Peter Berlien, die Farbstoffe durch den Laser zu „mobilisieren“, sie aus der Dermis zu lösen, damit sie in die tieferliegende Unterhaut wandern, wo sie vom Lymphsystem abtransportiert werden. Wie viele Sitzungen nötig sind, wird den Patienten vorher nicht gesagt. Das wäre unseriös, weiß Berlien. Nur so viel lässt sich sagen: In der Regel wird nach fünf Behandlungen eine Zwischenbilanz gezogen. Eine Sitzung kostet 150 bis 200 Euro, je nach Größe der Hautfläche. Manchmal ist selbst nach zehn Behandlungen keine Besserung zu sehen – dann ist nichts zu machen. Und: „Ganz spurlos lässt sich eigentlich kein Tattoo beseitigen.“ Denn bei der Laserbehandlung werden auch umliegende Melanozyten geschädigt, Zellen, die den Farbstoff Melanin produzieren und für die Bräunung der Haut verantwortlich sind. Von Tattoos gereinigte Hautstellen bleiben immer heller.

Das Bio-Tattoo ist in Deutschland seit 1994 populär. Damals stellte Thomas Gottschalk die neue Technik bei „Wetten dass..?“ vor, ließ sich selbst einen Dolch mit Schlange auf den Oberarm stechen. In den folgenden Wochen stieg die Nachfrage sprunghaft an. Gottschalk ist die Tätowierung nach Angaben seiner Sprecherin inzwischen los – auf welchem Weg, ist nicht bekannt. Seriöse Tätowierstudios lehnen Bio-Tattoos ab, doch viele Kosmetikstudios bieten sie noch an. Inzwischen gibt es mehrere Gerichtsurteile, nach denen Kosmetikerinnen Schmerzensgeld zahlen mussten. In einem Fall musste die Beklagte 2500 Euro für eine stilisierte Sonne zahlen, die entgegen ihrer Versprechung nach fünf Jahren kein bisschen verschwunden war. Das Geld reichte gerade, um das Tattoo zu entfernen. Viele Geschädigte trauen sich nicht, vor Gericht zu ziehen. Weil sie vor dem ersten Nadelstich eine Einverständniserklärung unterschrieben haben, die den Kosmetiker vor Regressansprüchen bei Kunstfehlern schützt. Auch Anke Behrendt, die Studentin aus Friedrichshain, hatte das Papier unterzeichnet. Und entschied sich, statt einer aufwendigen Entfernung lieber noch einmal zum Tätowierer zu gehen. An der Stelle, an der erst der grüne Gecko und dann der unförmige Fleck saßen, prangt jetzt eine Symbolverzierung. Ein Tribal.

Der Markt für Tattoo-Entfernungen boomt. Laut Umfragen besitzt jeder zehnte Deutsche eine Tätowierung. Und jeder zweite wird im Laufe seines Lebens den Wunsch haben, sie wieder loszuwerden. Gerade ganz oben auf der Liste der zu entfernenden Motive: geschwungene Verzierungen über dem Steißbein. Die wurden in den letzten Jahren Mode und schließlich als „Arschgeweih“ bekannt und verspottet. Hans-Peter Berlien von der Elisabeth-Klinik zieht die Bezeichnung „Hirschgeweih“ vor. „Keine Körperstelle ist weniger geeignet, um sich ein Tattoo stechen und wieder entfernen zu lassen.“ Wenn es überhaupt gelinge, die Farbpartikel aus der Lederhaut zu lösen, komme es zu Entzündungen im Gewebe und zur Narbenbildung. „Ich rate sowieso jedem, sich eine Tätowierung drei Mal zu überlegen. Aber ein Hirschgeweih sollte man sich zehn Mal überlegen“.

Teuer können Tattoos nicht nur bei der Entfernung werden. Seit April vergangenen Jahres ist gesetzlich geregelt, dass die Krankenkassen ihre Patienten an Kosten beteiligen können, wenn es in Folge einer Tätowierung zu gesundheitlichen Problemen kommt. Das passiert meistens dann, wenn mit unsauberen Nadeln gestochen wird, möglich ist die Übertragung von Syphilis, Hepatitis oder gar HIV.

Häufiger sind allerdings allergische Reaktionen. Die bekommt Margitta Worm in ihrer Sprechstunde im Allergie-Centrum der Charité zu sehen. Schuld ist oft der verwendete dunkle Farbstoff Paraphenylendiamin – ein starkes Kontaktallergen und als Haarfärbemittel in Deutschland längst verboten. Worm behandelt Jucken und Bläschen ihrer Patienten mit kortisonhaltiger Salbe, in schweren Fällen mit Tabletten. Allerdings besteht die Gefahr, dass man bei erneutem Kontakt mit dem Farbstoff – auch in viel geringerer Dosierung – wieder allergisch reagiert. Im Fall von Paraphenylendiamin ist das fatal: Der Stoff ist in Gummireifen, Schläuchen, dunklem Leder, am Lenkrad und am Armaturenbrett von Autos zu finden.

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