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Gesundheit: Mediziner zum Test

Auf Herz und Nieren: Die umstrittene Eignungsprüfung für künftige Ärzte wird wieder eingeführt

Jahrelang galt er als Schrecken aller zukünftigen Ärzte: Der Medizinertest, über dem Studienbewerber früher stundenlang brüten mussten und dessen Ergebnis mit über die Unizulassung entschied. Jetzt feiert der Test ein Comeback. Abiturienten, die in den kommenden Semestern in Baden-Württemberg studieren wollen, sollen die Prüfung jetzt wieder ablegen. Bereits am 15. Januar endet die Bewerbungsfrist für den ersten Test. Unis in anderen Bundesländern überlegen bereits, ob sie nachziehen sollen.

Die Bewerber erwartet mit dem fünfeinhalbstündigen Test „eine Miniaturspiegelung der typischen Studienanforderungen“, sagt Günter Trost von ITB Consulting. Die Firma hat den Medizinertest entwickelt. Aufgaben zum räumlichen Vorstellungsvermögen werden gestellt, zur Merkfähigkeit oder zum Erkennen von optischen Veränderungen, ähnlich wie später auf Röntgenbildern. Aus Texten müssen die Bewerber die wichtigen Informationen herausfiltern und daraus Schlüsse ziehen (siehe Kasten). Medizinisches Fachwissen wird nicht abgefragt. Deswegen rät Trost: „Reines Pauken bringt nichts. Der Test prüft Fähigkeiten, die nicht kurzfristig veränderbar sind.“ Trost empfiehlt, sich alte Originalversionen des Medizinertests anzusehen, die im Buchhandel erhältlich sind.

Wer in Heidelberg, Tübingen, Freiburg oder Ulm ein Studium der Human- oder Zahnmedizin aufnehmen will, kann den „Test für medizinische Studiengänge“ ablegen. Kann – denn verpflichtet sind die Studienbewerber dazu zunächst nicht. Doch ohne ihn sinken die Chancen auf einen der Studienplätze, die die Hochschulen direkt vergeben. „Das Risiko ist, dass Sie von jemandem mit einem exzellenten Testergebnis überholt werden“, erklärt Martina Kadmon, Ärztin am Heidelberger Uniklinikum und Koordinatorin des Medizinertests.

Mit der Wiedereinführung des Medizinertests reagieren die Südwest-Unis auf eine Änderung des Zulassungsgesetzes: In Fächern, die bundesweit mit einem Numerus clausus (NC) belegt sind, wie Medizin oder Psychologie, sollen die Universitäten 60 Prozent der Studenten selbst auswählen können. Dabei muss neben der Abiturnote noch zumindest ein weiteres Kriterium herangezogen werden: soziales Engagement etwa, eine Berufsausbildung oder eben ein Eignungstest.

Jede Hochschule entscheidet selbst, wie stark sie den Test gewichtet. In Heidelberg werde man dem Test eine „hohe Gewichtung“ geben, sagt Martina Kadmon, eine konkrete Zahl will sie nicht nennen. An ihrer Uni sollen auch weiterhin andere Kriterien wie ein abgeleistetes Freies Soziales Jahr oder Berufserfahrung in einem medizinnahen Bereich zählen – bloß nun zugunsten des Medizinertests weniger stark. Ganz wettmachen können Bewerber eine schlechte Abiturnote allerdings nicht: Es ist gesetzlich vorgeschrieben, dass der Abiturschnitt weiterhin zu einem „maßgeblichen Teil“ berücksichtigt werden muss.

Von 1986 bis 1998 mussten Bewerber bundesweit den Medizinertest ablegen. Er kostete viel Geld, und als die Bewerberzahlen Mitte der Neunziger sanken, schaffte man ihn vor allem wegen der hohen Kosten ab. Bei der Neuauflage zahlt nun nicht mehr Staat, sondern der Studienbewerber. 50 Euro kostet die Teilnahme.

Umstritten bleibt die Prüfung dennoch. Kritiker wenden ein, die Testergebnisse ähnelten oft der Abiturnote, und die Fähigkeiten seien trainierbar. Befürworter argumentieren, der Test sei gerechter als Auswahlgespräche, in denen die soziale Herkunft und das Äußere der Bewerber die Wahl der Professoren beeinflussen könnten. Test-Entwickler Trost sagt, dass man Dinge prüfe, die sich nicht im Abitur niederschlagen. „Der Test soll die Abinote nicht ersetzen“, sagt Trost. Die Schulnote gebe Aufschluss über den zurückliegenden Bildungsweg, der Test hingegen über die Fähigkeit, bevorstehende Anforderungen zu bewältigen.

Seit dem letztem Jahr greift auch Österreich auf den Medizinertest zurück. In Deutschland lässt die Uni Leipzig die Prüfung ebenfalls wieder ablegen. Bayern überlegt, den Test landesweit einzuführen, Hochschulen in anderen Ländern wollen nachziehen. Könnten Bewerber also bald wieder bundesweit über dem Test schwitzen?

Für Berlin sei er erst einmal keine Option, sagt Burkhard Danz, Leiter des Referats für Studienangelegenheiten an der Charité. „Der Test wurde ja abgeschafft, weil der Aufwand zu groß war.“ Die Charité wählt stattdessen einen Teil ihrer Studenten nach einem Punktesystem aus. Neben der Abiturnote zählt das Belegen von Naturwissenschaften sowie Deutsch und Englisch auf dem Gymnasium. Weitere Plätze vergibt man nach Auswahlgesprächen. „Wir wollen uns selbst die Bewerber aussuchen, die zur Charité passen“, sagt Danz. Der Medizinertest sei dagegen ein „bequemer Weg“, eine Fremdinstitution wählen zu lassen.

Bequem wird der Medizinertest für die Bewerber sicherlich nicht. Vielleicht werden sie deshalb von den Organisatoren aufgefordert, zur Prüfung auch ein Sitzkissen mitzubringen. Gutes Sitzfleisch dürfte für den fünfeinhalbstündigen Test ebenso wichtig sein wie gründliche Vorbereitung. Denn jeder Bewerber kann den Test nur ein einziges Mal ablegen.

Fabian Reinbold

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